Der falsche Freund
kleines Lächeln.
»Eine Tasse Tee wäre wirklich schön«, sagte er. »Und hungrig bin ich auch. Ich habe den ganzen Tag nichts gegessen.«
Ich stand auf.
»Ich mache uns gleich was«, erklärte ich. »Getoastete Käsesandwiches?«
»Gott sei Dank war Brendan zur Stelle«, sagte Mum voller Inbrunst. Ich zuckte leicht zusammen. Ich war auch zur Stelle gewesen, oder etwa nicht? »Wenn er ihn nicht gefunden hätte
…«
»Ich befinde mich im selben Raum wie du, Mum«, unterbrach sie Troy. »Du musst nicht in der dritten Person über mich reden.«
»Was habe ich bloß falsch gemacht?«
»Was hat das Ganze mit dir zu tun?«
»Genau«, pflichtete mein Vater ihm bei. »Es bringt uns überhaupt nicht weiter, wenn du jetzt wieder mit deinen Schuldgefühlen anfängst. Hier geht es um Troy.«
Meine Mutter öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, überlegte es sich dann aber anders. Sie setzte sich aufs Sofa und nahm Troys Hand.
»Ich weiß«, erklärte sie. »Ich habe mir nur solche Sorgen gemacht. Die ganze Zeit dachte ich …« Sie sprach den Satz nicht zu Ende.
»Ich hatte nicht vor, mich umzubringen oder so was«, bemerkte Troy.
»Was wolltest du dann?«, fragte Dad. »Es muss doch irgendeinen Grund haben, wenn du nicht in die Schule gehst, sondern stattdessen in der Stadt herumwanderst.«
Troy zuckte mit den Achseln.
»Ich wollte einfach meine Ruhe«, sagte er schließlich.
»Ich konnte es nicht mehr ertragen, dass ständig jemand um mich herumscharwenzelt. Dass sich ständig jemand Gedanken über mein Wohlergehen macht.«
»Du meinst mich«, sagte meine Mutter. »Ich bin diejenige, die um dich herumscharwenzelt. Das ist mir durchaus bewusst. Ich versuche ja auch, mich zu bremsen, aber ich schaffe es einfach nicht. Ich habe das Gefühl, wenn es mir gelänge, dich zurück auf die richtige Spur zu bringen, dann würde mit dir wieder alles in Ordnung kommen.«
»Ihr solltet mir einfach vertrauen.«
»Wie können wir dir vertrauen«, fragte mein Vater, »wenn du nicht in den Unterricht gehst und uns anlügst?«
»Es ist mein Leben«, antwortete Troy trotzig. »Ich bin siebzehn. Wenn ich blaumachen will, dann ist das meine eigene Entscheidung. Wenn ich Mist baue, dann ist das mein eigener Mist, nicht eurer. Ihr behandelt mich wie ein kleines Kind.«
»Oh!«, sagte meine Mutter. Es klang wie ein Stöhnen.
»Wenn du wie ein Erwachsener behandelt werden willst, dann musst du dich auch wie einer benehmen«, erklärte mein Vater.
Er rieb sich einen Moment die Stirn, dann fügte er hinzu: »Es ist doch nur, weil wir dich lieben, Troy.«
Mein Vater sagte sonst nie solche Sachen.
»Ich mache uns jetzt die Sandwiches.« Mit diesen Worten verschwand ich in die halb in Trümmern liegende Küche.
Als ich nach einer Weile ins Wohnzimmer zurückkam, beladen mit einem Tablett, auf dem vier Tassen Tee und ein Teller mit getoasteten Käsesandwiches standen, hatte meine Mutter verweinte Augen. »Troy sagt, er möchte für eine Weile bei dir wohnen«, informierte sie mich.
»Oh«, sagte ich. »Das fände ich wunderbar, Troy, wirklich großartig. Das Problem ist nur, dass ich im Moment selbst nicht bei mir wohne. Brendan und Kerry haben die Wohnung übernommen.«
»Aber nicht für lange«, entgegnete Troy. »Ich kann ja ein paar Wochen mit ihnen dort wohnen, und dann kommst du zurück.
Okay?«
»Du weißt, wie gern ich dich bei mir hätte«, antwortete ich.
»Aber kannst du nicht noch ein bisschen warten? Eine Woche oder so?«
»Warum?«
Ich starrte ihn hilflos an. »Bist du sicher, dass du dich bei Kerry und Brendan wohl fühlen wirst?«
Er zuckte mit den Achseln. »Bestimmt werden sie auch um mich herumscharwenzeln. Mit dir wird es besser sein.«
»Dann warte.«
»Das kann ich nicht.«
»Na schön«, sagte ich. »Ich werde so oft wie möglich vorbeischauen. Und wenn du mich brauchst, rufst du mich einfach an. Einverstanden?«
»Einverstanden.«
Am nächsten Tag nahm ich mir frei und ging mit Troy ins Aquarium. Wir verbrachten zwei Stunden dort, drückten uns an den Scheiben die Nase platt. Troy gefielen am besten die tropischen Fische, die wie farbige Glasscherben funkelten, mir dagegen die Plattfische mit ihren eigenartigen, auf dem Kopf stehenden Gesichtern, die immer freundlich und ein wenig verblüfft wirkten, während sie mit ihrem sich wellenden Körper durchs Wasser glitten. Hinterher fuhr ich ihn zum Haus meiner Eltern zurück, damit er seine Sachen packen konnte. Brendan und Kerry würden ihn
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