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Der falsche Freund

Titel: Der falsche Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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heftig.
    »Das hast du jetzt davon«, sagte er, bevor er das Bewusstsein verlor.

    Im Krankenhaus nähten sie Brendans Wunde mit zwölf Stichen und verpassten ihm eine Tetanusspritze. Nachdem seine Hand verbunden worden war, sagte man ihm, er solle alle vier Stunden Paracetamol nehmen.
    »Wie ist denn das bloß passiert?«, fragte Kerry ungefähr zum zehnten Mal.
    »Ein Unfall«, erklärte Brendan. »Blöd, oder? Es war nicht wirklich Mirries Schuld. Wenn überhaupt jemand Schuld hatte, dann ich.«
    Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen. »Es war kein …«, begann ich. »Es war ganz …« Dann hielt ich inne, erstickt durch all die Dinge, die ich nicht sagen konnte, weil niemand mir glauben würde und ich selbst schon fast nicht mehr wusste, ob ich mir glauben sollte. »Ach, was soll’s«, sagte ich, mehr zu mir selbst.
    Brendan lächelte zufrieden, wenn auch ein wenig benommen.
    Sein Kopf lag auf Kerrys Schulter, seine bandagierte Hand auf ihrem Schoß. Sein Hemd war blutbespritzt.
    »Ihr zwei Mädels solltet euch versöhnen«, sagte er. »Das war sowieso ein ganz blöder Streit. Es ist sehr nett von Mirrie, uns für eine Weile ihre Wohnung zur Verfügung zu stellen.«
    Kerry strich ihm das Haar aus der Stirn. »Ich weiß«, antwortete sie sanft. Sie blickte kurz zu mir und sagte: »Danke.«
    Dann wandte sie sich wieder Brendan zu. Sie sah ihn an, als wäre er eine Art Kriegsheld.
    »So was kommt in jeder Familie mal vor«, meinte Brendan und schloss die Augen. »Kleine Meinungsverschiedenheiten.
    Mein größter Wunsch wäre, dass alle glücklich sind.« Kerry drückte seine unverletzte Hand.
    Ich ließ meine Schwester bei ihm zurück und fuhr nach Hause, um zu packen.

    15. KAPITEL
    Mein Auszug war mir wie eine unvermeidliche Reaktion auf eine Krisensituation erschienen, vergleichbar mit dem Ziehen der Notbremse in einem Zug. Aber wie so vieles in meinem Leben hatte ich das Ganze nicht gründlich genug durchdacht.
    Ich musste an einen Freund denken, der mal ein großes Abendessen gegeben hatte. Irgendwann waren er und ein Gast sich derart in die Haare geraten, dass er der betreffenden Person am Ende ein »Du kannst mich mal!« an den Kopf warf und hinausstürmte. Erst nachdem er die Tür hinter sich zugeschlagen hatte und unten auf den Gehsteig hinaustrat, wurde ihm bewusst, dass er gerade aus seiner Wohnung gestürmt war. Er musste umkehren, an seiner eigenen Tür klingeln und kleinlaut darum bitten, wieder hineingelassen zu werden.
    Ich war nun ebenfalls draußen und kam mir vor wie eine Idiotin. Ich hatte einen überstürzten Abgang gemacht, aber keinen Plan, wie es weitergehen sollte. An meinem zweiten Abend bei Laura blieben wir lange auf und tranken eine von mir besorgte Flasche Whisky. Ich hatte außerdem ein halbes Dutzend Flaschen Wein mitgebracht, frische Ravioli und Sauce aus dem Feinkostladen, an dem ich auf dem Heimweg vorbeigekommen war, und zwei Tüten mit Salat, den man nur noch anzumachen brauchte. Tony hatte einen Männerabend, sodass ich ein Essen nur für uns zwei zubereitete. Es war schön, mal wieder einen solchen Abend mit Laura zu verbringen. Das erinnerte mich an unsere Zeit an der Uni, als wir oft die ganze Nacht durchgemacht hatten. Aber wir waren nicht mehr an der Uni, und wir hatten beide ein Leben zu führen. Ich fragte mich, wie lange es dauern würde, bis ihre Geduld erschöpft war. Ich schenkte uns noch etwas von dem Whisky ein.
    »Irgendwie«, sagte ich, »verbinde ich solche Augenblicke immer mit Whisky.« Meine Aussprache wurde bereits ein wenig undeutlich, aber Laura ging es genauso. »Wenn ich an Whisky und dich und mich denke, dann denke ich an lange Nächte, in denen häufig eine von uns vor sich hin heulte, bis die andere irgendwann auch anfing. Und geraucht haben wir auch meistens.
    Weißt du noch, wie ich mal mit dem Rad unterwegs war und von einem Taxi angefahren wurde?«
    »Natürlich«, antwortete Laura und nahm einen Schluck, woraufhin sie das Gesicht verzog, als hätte sie zu viel erwischt.
    »Warum musste es eigentlich immer Whisky sein?«
    »Warum nicht?«, fragte ich zurück. »Bin ich verrückt?«
    »Bezieht sich diese Frage jetzt noch auf den Whisky?«, wollte Laura wissen.
    Ich trank ebenfalls einen Schluck und schüttelte den Kopf.
    »Lass uns die Fakten noch mal durchgehen«, sagte ich.
    »Ich trenne mich von Brendan. Ehe ich michs versehe, ist er mit meiner Schwester verlobt. Ich stelle fest, dass ich seinen Anblick nicht mehr ertragen kann. Kurze Zeit

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