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Der falsche Freund

Titel: Der falsche Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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hatte. Ich begriff es nicht so ganz, was auch immer »es« war, aber er war gut darin.
    Ideenreich, energisch, aufmerksam, überzeugend, kooperativ, immer auf die Bedürfnisse und Gefühle der anderen achtend. Er hatte feine Antennen für das, was die Leute um ihn herum gerade brauchten.
    Er hatte angeboten, sich um alles zu kümmern, was im Zusammenhang mit der Beerdigung zu tun war, um der Familie diese Bürde abzunehmen, aber Mum hatte ihm ruhig erklärt, dass es ihr helfe, eine Aufgabe zu haben. Er hatte den Telefondienst übernommen, Formulare ausgefüllt, kannenweise Tee gekocht, Einkäufe erledigt, seine und Kerrys Sachen ins Haus meiner Eltern zurückgeschafft, damit ich wieder in meine Wohnung konnte. In nur zwei Tagen würden sie in das Haus ziehen, das ich für sie organisiert hatte.
    Eine Woche nach Troys Tod sprachen wir über die Hochzeit.
    Kerry wollte sie verschieben, aber meine Eltern meinten, Liebe sei das Einzige, was uns durch diese schlimme Zeit retten könne. Brendan nickte dazu, streichelte Kerrys Hand und sagte in weisem, nachdenklichem Ton: »Ja, die Liebe wird uns retten.« Dabei leuchteten seine Augen. Zu einer anderen Zeit hätte mich das in den Wahnsinn getrieben. Mir war zwar immer noch bewusst, wie pathetisch seine Worte klangen, aber ich fühlte mich viel zu benommen, um mich darüber aufzuregen.

    »Hier, ich habe was für dich, das ist besser als Tee.«
    Bill drückte mir ein Glas Whisky in die Hand und stellte sich neben mich, während ich gleich einen großen Schluck nahm.
    Wir waren alle zusammen ins Haus meiner Eltern zurückgekehrt und standen nun in ihrem zugigen Wohnzimmer herum, tranken Tee und wussten nicht so recht, worüber wir reden sollten. Was sagt man nach einem solchen Ereignis?
    »Danke.«
    »Geht es dir gut?«
    »Ja.«
    »Blöde Frage. Wie sollte es dir nach alledem gut gehen?«
    »Wenn er durch einen Unfall gestorben wäre oder durch eine Krankheit oder sonst was, dann wäre es etwas anderes gewesen, aber so …« Ich brauchte den Satz nicht zu Ende zu sprechen.
    »Marcia wird sich den Rest ihres Lebens fragen, was sie falsch gemacht hat.«
    »Ja.«
    »Das scheint bei einem Selbstmord immer so zu sein. Tatsache ist, dass sie alles in ihrer Macht Stehende getan hat. Das habt ihr alle.«
    »Nein. Er hätte sich nicht umbringen dürfen.«
    »Nein, natürlich nicht.«
    »Ich meine, ich begreife es einfach nicht. Mum sagt, dass sie das Gefühl gehabt habe, er sei auf dem Weg der Besserung gewesen. Und es war wirklich so, Bill. Es hat tatsächlich so ausgesehen, als würde es ihm langsam besser gehen.«
    »Man kann in einen Menschen einfach nicht hineinsehen.«
    »Ja, so ist es.«
    Ich nahm einen weiteren großen Schluck Whisky.
    »Er war ein unglücklicher junger Mann.«
    »Ja.«
    Ich musste an Troys Kicheranfälle denken. Er hatte oft blöde Witze gerissen und dann grinsend zu mir hochgeblickt. Die ganze Zeit hatte ich sein Gesicht vor Augen, wie es in seinen glücklichen Phasen aussah, wenn er vor Energie nur so sprühte.
    Bill schenkte mir noch mal nach und ging dann mit der Whiskyflasche zu Dad. Ich wanderte aus dem überfüllten Wohnzimmer zu der Baustelle, die einmal die Küche gewesen war, und dann durch das Loch in der Wand, wo sich einst die Tür befand, nach draußen in den vom Regen aufgeweichten Garten. Herausgerissene, gesplitterte Bodendielen und Stücke der alten Küchenelemente stapelten sich entlang des Zauns. Ich lehnte mich gegen ein altes Regalteil und sah mich um. Es war leicht neblig, alle Umrisse wirkten eine Spur verschwommen, aber vielleicht lag das auch am Whisky. Nach meinem Gespräch mit Bill befand ich mich in einem Zustand, in dem ich für alle Zweifel offen war. Dabei hatte die Autopsie eindeutig Selbstmord durch Erhängen ergeben. Ich rief mir das Gespräch mit Troy an jenem Morgen ins Gedächtnis. Ich hatte ihn angerufen, um ihm von dem Haus zu erzählen, das ich für Brendan und Kerry gefunden hatte, und wir hatten über unsere Pläne gesprochen. Er hatte sich ein wenig müde, ansonsten aber relativ fröhlich angehört. Ich hatte ihm gesagt, wie sehr ich mich darauf freute, die Wohnung mit ihm zu teilen, worauf er leicht verlegen geantwortet hatte, er freue sich auch. Meine brennenden Augen füllten sich erneut mit Tränen, obwohl ich geglaubt hatte, völlig leer geweint zu sein. Ich musste daran denken, wie Brendan mich am Vortag gefragt hatte, um welche Zeit ich denn in die Wohnung kommen würde, um meine Sachen abzuholen, und ich

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