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Der falsche Freund

Titel: Der falsche Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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ich niemanden hatte, der mir das Buch hätte bringen können, der zweite, dass es bei den Kochbüchern stand, sodass ich, als ich es schließlich doch schaffte, mit schlingerndem Magen durch die Wohnung zu wanken, um es zu holen, an Dingen vorbeikam, die mich an Essen erinnerten. Ich versuchte, jeden Gedanken daran zu verdrängen, aber dann sah ich vor meinem geistigen Auge mit einem Mal eine riesige Schüssel Grießbrei, eine Schreckensvision, die ich erst wieder loswurde, als ich an den Geruch von zu lange gekochtem Kohl dachte. Dann fiel mir Troy ein, und das war noch schlimmer als alles andere.
    Ich nahm das Buch mit ins Bett. Zum Thema Alkoholvergiftung gab es keinen Eintrag, dafür aber einen ziemlich langen zum Thema Kater. Das Buch empfahl, viel Wasser zu trinken und in flottem Tempo eine Runde zu joggen,
    »auch wenn Ihnen nicht danach zumute ist«. Wenn einem übel war – und mir war sehr übel –, sollte man ein bestimmtes Magnesiumpräparat einnehmen. Also gut, ich beschloss, positiv an die Sache heranzugehen. Vorher hatte ich nur noch den Wunsch gehabt, mich unter der Bettdecke zusammenzurollen und zu sterben. Nun würde ich das Gegenteil versuchen und das Problem in Angriff nehmen, indem ich mir nicht nur dieses Medikament besorgte, sondern dabei auch noch einen Sprint hinlegte. Als Erstes aber würde, ich ein großes Glas Wasser trinken.
    Doch das Wasser kam zu spät für meinen trockenen Mund. Es schien über meine ausgedörrte Schleimhaut zu laufen, ohne von ihr aufgenommen zu werden. Außerdem war ich kaum in der Lage, die Beine in meine Shorts zu bekommen. Ich schlüpfte in ein T-Shirt. Die Berührung mit dem Stoff tat meinem Kopf und auch den Armen weh. Langsam band ich die Schnürsenkel meiner Schuhe, musste das erste Mal seit meiner Kindheit wieder bewusst darüber nachdenken, wie das ging. Schließlich schlurfte ich auf den Gehsteig hinaus, in der Hand eine Fünf-Pfund-Note. Das grelle Licht blendete mich, die kalte Luft ließ mich keuchen. Ich weiß nicht, ob es mir dadurch besser ging, auf jeden Fall hatte ich wieder einen etwas klareren Kopf. In gewisser Weise tat der Schmerz gut, und ich fragte mich, ob das eine willkommene Fortsetzung der letzten Nacht war. Der Zustand der Betrunkenheit und Verwirrung, das Gefühl, jeden einzelnen Knochen zu spüren, der ganze Schmerz – vielleicht war das alles besser, als die Augen zu öffnen, in die Sonne zu blicken und mich wirklich dem zu stellen, was Troy sich und uns angetan hatte.
    Die Drogerie war nur ein paar hundert Meter entfernt. Ich fragte den Apotheker nach einem Magnesiumpräparat. Wie sich herausstellte, schmeckte es ziemlich widerlich, aber ich lutschte es trotzdem energisch, während ich gleichzeitig versuchte, meinen Heimweg auf eine Art und Weise zu bewältigen, die man annähernd als Joggen bezeichnen konnte. Anschließend ging ich unter die Dusche, zog mich wieder an und legte mich aufs Bett, um nachzudenken. Ich hatte einen metallischen Geschmack im Mund und beim Schlucken das Gefühl, als wäre etwas Borstiges in meinem Hals stecken geblieben. Meine Haut kam mir kalt und feucht vor. Mir war zwar noch übel, aber nicht mehr speiübel. Es stand außer Zweifel, mein Zustand hatte sich tatsächlich ein wenig gebessert. Jetzt konnte der Tag beginnen.
    Wie spät war es inzwischen? Ich streckte die Hand nach der Uhr aus, die auf dem Nachttisch lag, Troys Uhr. Viertel nach zehn.
    Ich wusste, warum die Uhr sich dort befand. Troys Problem war unter anderem gewesen, dass es in seinem Leben kein Gleichgewicht und keine Kompromisse gegeben hatte. Sogar völlig normales Verhalten hatte für ihn eine Art moralische Herausforderung dargestellt. Er war entweder total aufgedreht, übertrieben lustig und unglaublich enthusiastisch gewesen oder aber apathisch, langsam, distanziert, oft auch wie im Tiefschlaf.
    Selbst in seinen guten Phasen hatte er täglich einen langen Nachmittagsschlaf gehalten. Dazu ließ er sich nicht einfach aufs Sofa oder in einen Sessel fallen, nein, er machte die Vorhänge zu, zog sich aus und ging ins Bett. Wenn er Medikamente nehmen musste, verfiel er fast in eine Art Koma. An jenem Tag hatte er sich ausgezogen, seine Uhr auf den Nachttisch gelegt und in meinem Bett geschlafen. Als ich ihn dann abends fand, trug er seine Sachen, nicht aber die Uhr. Vielleicht hatte er sie vergessen. Schließlich war er depressiv gewesen.
    Da war noch etwas. Ich schloss die Augen und zwang mich dazu, mir Troy an jenem Balken baumelnd

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