Der falsche Freund
beiden Seiten stehen, und du kannst auch nicht die Vermittlerin spielen, als wärst du eine Botschafterin der Vereinten Nationen. Du musst dich entscheiden.« Wir schwiegen einen Moment. »Du bist schon übergelaufen, stimmt’s?« Ich merkte selbst, dass ich bereits ein bisschen undeutlich sprach. Mein Kopf schmerzte vom Alkohol und dem ganzen Elend.
»Miranda, du bist meine beste Freundin. Bitte sag so etwas nicht.«
»Entschuldige«, sagte ich. Aber ich konnte es nicht sein lassen. »Du hast ihn sympathisch gefunden, oder?«
»Er hat mir Leid getan.«
Während sie den Kaffee aufbrühte, holte ich die Whiskyflasche aus dem Regal.
»Sieh dir das an«, sagte ich. »Wie habe ich es bloß geschafft, seit vorgestern so viel Whisky zu trinken?«
Ich war fast ein bisschen stolz auf mich, als hätte ich eine Leistung erbracht. Ich griff nach einem benutzten Weinglas, schenkte mir ein und nahm einen großen Schluck.
»Morgen wird es dir ziemlich schlecht gehen«, meinte Laura.
»So oder so«, gab ich ihr zur Antwort.
»Möchtest du, dass ich über Nacht bleibe?«
»Nein. Du warst sehr lieb.«
»Gehst du morgen zur Arbeit?«
»Mir wird nichts anderes übrig bleiben. Es ist ein ganz normaler Arbeitstag.«
»Dann rufe ich dich abends an.«
»Musst du aber nicht.«
»Nein, aber ich werde es trotzdem tun.«
»Was würde ich bloß ohne dich machen?«
Ich trank weiter, bis die Flasche leer war. Wenn ich die Augen schloss, wurde mir sofort schwindlig, sodass ich krampfhaft versuchte, sie ein wenig offen zu halten, auch wenn das Licht wehtat. Ich wankte in mein Schlafzimmer und setzte mich aufs Bett, das für kurze Zeit Troys Bett gewesen war. Inzwischen hatte ich es frisch bezogen, aber ein paar von seinen Sachen waren noch da – seine Uhr auf dem Nachttisch, seine Jacke am Haken an der Tür, seine im ganzen Zimmer verteilten Bücher.
Ich bildete mir sogar ein, dass noch ein wenig von seinem Geruch in der Luft hing. Ich griff nach einem Buch übers Brotbacken, das er wohl gerade gelesen hatte, und presste es an meine Brust.
»Oje«, sagte ich laut. Meine Zunge fühlte sich an, als wäre sie geschwollen. »Oje, Troy. Was soll ich jetzt bloß machen?«
Später, gegen zwei Uhr morgens, torkelte ich ins Bad, um mich zu übergeben. Über die Kloschüssel gebeugt, würgte ich vor mich hin, bis mein Magen nichts mehr enthielt, was er noch von sich geben konnte. Meine Augen brannten, mein Hals schmerzte, und in meinem Schädel pochte es, aber trotzdem fühlte ich mich ein wenig besser. Ich trank drei Becher Wasser und legte mich wieder ins Bett. In meinem Kopf hörte ich Troys Stimme, seine letzten Worte:
»Dann bis später.« Für ihn hatte es kein Später gegeben, er hatte mich nicht mehr gesehen. Ich ihn schon. Ich würde ihn auch in Zukunft sehen. Die ganze Zeit.
23. KAPITEL
In der Nacht war es mir bereits schlecht gegangen, aber als ich am nächsten Morgen aufwachte, ging es mir noch viel schlechter. Ich würde sterben, und wenn ich tot war, würde man mich konservieren und in einem großen Glas ausstellen. Ein Etikett würde mich als den ersten Mensch ausweisen, der an einem Kater gestorben war. In meinem Zustand bereitete mir sogar das Denken Schmerzen. Alles bereitete mir Schmerzen.
Gegen halb zehn unternahm ich den Versuch aufzustehen, legte mich aber gleich wieder hin. Ich konnte mich nicht erinnern, jemals einen so schlimmen Kater gehabt zu haben. Ich hatte die üblichen Symptome, aber in extrem verstärkter Form: die trockene, ledrige Zunge, die rasenden Kopfschmerzen, als würde mein Gehirn von kleinen Nagern aufgefressen, das schreckliche Gefühl, mich vergiftet zu haben, das widerliche Schaudern, als würden Krabbeltiere über meine Haut huschen.
Jeder Teil meines Körpers tat mir weh, sogar mein Haar schmerzte. Neu war, dass ich mich immer noch betrunken fühlte, auch wenn mein Zustand ein schlechter Abklatsch der Betrunkenheit vom Vorabend zu sein schien. Von den guten Elementen – falls es überhaupt solche gegeben hatte – war nichts mehr zu spüren, aber der Boden schwankte immer noch, der ganze Raum drehte sich. Deswegen musste ich mich auch sofort wieder hinlegen, was allerdings nicht viel brachte. Ich fühlte mich wie auf einem Wasserbett. Plötzlich musste ich daran denken, dass man zwar nicht an einem Kater, sehr wohl aber an einer Alkoholvergiftung sterben konnte. Ob es das war?
Mir fiel ein, dass ich einen Gesundheitsratgeber besaß. Der erste Haken an der Sache war jedoch, dass
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