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Der falsche Freund

Titel: Der falsche Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Vorschlag wäre jetzt, dass wir erst mal über das reden, was Ihnen mit diesem Brendan geschehen ist. Ich glaube wirklich, das könnte hilfreich sein. Oder aber, wir sprechen über Ihren Verlust und darüber, warum Sie solche Schuldgefühle empfinden. Wir werden uns dabei jedoch auf Sie konzentrieren
    – darauf, was nach diesen traumatischen Erlebnissen in Ihrem Inneren vorgeht. Wir werden uns nicht damit auseinander setzen, warum diese beiden jungen Leute so kurz nacheinander sterben mussten. Sie sind tot. Nun müssen Sie trauern.« Ihr Ton wurde sanfter. »Sie müssen sich selbst gestatten zu trauern, statt krampfhaft nach Erklärungen zu suchen.«
    »Aber wenn …«
    »Das braucht seine Zeit«, fiel sie mir ins Wort. »Es gibt keinen einfachen Weg.«
    Ich zwang mich, über ihre Worte nachzudenken.
    »In letzter Zeit hatte ich manchmal das Gefühl, verrückt zu werden«, sagte ich schließlich. Ich hing inzwischen so schlaff in meinem Sessel, dass ich mir vorkam wie eine Stoffpuppe.
    »Früher führte ich ein Leben, das ich verstand. Die Dinge ergaben einen Sinn. Ich konnte absehen, was als Nächstes passieren würde, und entsprechend planen. Jetzt habe ich das Gefühl, die Kontrolle verloren zu haben. Alles könnte geschehen. Alles um mich herum erscheint mir feindselig und aus dem Gleichgewicht. Es ist wie ein Albtraum, aus dem ich nicht aufwachen kann. Es geht einfach immer weiter.«
    »Darüber sollten wir ebenfalls sprechen«, erwiderte sie.
    »Vorausgesetzt, Sie möchten überhaupt wiederkommen.«
    Ich nickte. »Ja. Ich denke schon.«
    »Gut. Nächste Woche um dieselbe Zeit, wenn Ihnen das recht ist. Und wenn Sie nun einen Blick auf die Uhr Ihres Bruders werfen, werden Sie feststellen, dass unsere Zeit um ist.«

    Bevor ich mir irgendwelche Ausreden überlegen konnte, zog ich meine Joggingsachen an und wagte mich ein weiteres Mal in den Frühlingsnachmittag hinaus. Ich lief zur Heath, joggte den Hügel hinauf, von dem aus ich Laura zum letzten Mal gesehen hatte, blieb diesmal aber nicht stehen. Ich rannte, bis meine Beine und Lungen schmerzten und ich Seitenstechen bekam.
    Als ich wieder zu Hause war, stellte ich mich unter die Dusche und machte mir anschließend eine Schüssel Pasta mit Olivenöl, fein geschnittenen Frühlingszwiebeln und Parmesankäse.

    Während ich aß, blickte ich mich in meiner Wohnung um. Alles wirkte trist und vernachlässigt. In letzter Zeit war ich bloß noch apathisch durchs Leben gestolpert, hatte nach der Arbeit nur herumgesessen und aus dem Fenster gestarrt, um dann um neun ins Bett zu gehen. Ich hatte jede Nacht zehn oder elf Stunden geschlafen, manchmal sogar länger, und war trotzdem wie erschlagen aufgewacht, mit schweren Augenlidern und bleiernen Gliedern, eingehüllt in einen Nebel aus Müdigkeit.
    Ich musste daran denken, wie Katherine Dowling mit dem Finger auf mich gezeigt hatte. »Das ist Trauer.« Ich hatte mich von meiner Trauer völlig vereinnahmen lassen, sie war in alle Poren gedrungen und hatte mich jeder Hoffnung beraubt.
    Ich stand auf und stellte meine Schüssel in die Spüle. Dann füllte ich einen Kübel mit heißem Wasser und begann die Fenster zu putzen, um das Licht wieder hereinzulassen.

    29. KAPITEL
    Am nächsten Morgen wachte ich früh auf, und noch ehe ich die Augen öffnete, wusste ich, dass es draußen warm und schön war. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte ich mich nicht müde und erschöpft, sondern wach und voller Tatendrang. Obwohl Samstag war und ich nicht zur Arbeit musste, stand ich sofort auf.
    Ich zog mein Bett ab, stopfte die Wäsche in die Maschine und schaltete sie ein. Dann schlüpfte ich in meine Joggingsachen.
    Ich lief wieder zur Heath, diesmal aber in den Teil, in dem die Bäume so dicht stehen, dass man so tun kann, als gäbe es die Stadt und die Millionen Menschen um einen herum nicht. Die Sonne schien schräg und noch winterlich bleich, besaß aber durchaus schon Kraft. Zwischen den Büschen blühten Christrosen und Schlüsselblumen, die Bäume trieben frische grüne Blätter aus. Ich lief, so schnell ich konnte, bis meine Beine zu schmerzen begannen und mir der Schweiß von der Stirn rann. Es kam mir vor, als würde mein Körper sich durch die Bewegung entgiften, mein Blut schneller fließen und mein Herz kräftiger schlagen. Alle meine Poren schienen sich zu öffnen.
    Auf dem Heimweg machte ich beim Bäcker Halt und kaufte einen Laib noch warmes Vollkornbrot. Nach dem Duschen schlüpfte ich in einen Jeansrock und eine

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