Der falsche Mann
einen letzten Einfall. » Ich möchte noch eine abschließende Sache fürs Protokoll anmerken, wenn Sie es gestatten, Herr Richter. Nur wenige Tage vor Prozessbeginn haben Sie meine Schuldunfähigkeitsverteidigung ausgeschlossen. Ich weiß, Sie denken, Sie haben die richtige Entscheidung getroffen, aber trotzdem hat mich das in eine sehr schwierige Lage gebracht. Ich plante eine auf einem Schuldeingeständnis basierende Verteidigung, und Sie haben mir diese untersagt. Also blieb mir nur, auf unschuldig zu plädieren, mit wenigen Tagen Vorbereitungszeit. Das habe ich getan. Anfänglich habe ich tatsächlich nur nach rettenden Strohhalmen gegriffen, aber dann haben wir Gott sei Dank Beweise für die Unschuld meines Mandanten gefunden. Worüber ich mindestens ebenso überrascht war wie jeder andere. Aber hier sind sie. Ich bin Ihren Instruktionen gefolgt und fand entlastendes Material, und wenn Sie dieses nun ebenfalls ausschließen – wie kann man da noch von einem fairen Prozess sprechen? Wenn Sie jede Richtung, die ich einschlage, abschmettern?«
Zum ersten Mal flunkerte ich ein wenig. In Wahrheit hatte ich bei der Verteidigung von Anfang an zweigleisig fahren wollen – Schuldunfähigkeit und Unschuld –, um mich irgendwann für eine Richtung zu entscheiden, bevorzugt für Unschuld. Doch das würde Richter Nash nie erfahren. Und während er den Gerichtsschreiber beim Tippen dieser Worte beobachtete, sah er in seiner Vorstellung das Berufungsgericht vor sich, wie es dieses Protokoll studierte. Sie haben ihm eine Schuldunfähigkeitsverteidigung verweigert, worauf er sich für eine Unschuldsverteidigung entschied, und die haben Sie ebenfalls abgelehnt?
Ursprünglich war es mein Plan gewesen, eine wasserdichte Beweisführung auf die Beine zu stellen und diese dem Richter zu präsentieren. Wenn ich ihn von ihrer Schlüssigkeit hätte überzeugen können, hätte er keine andere Wahl gehabt, als sie zuzulassen. Aber so weit war ich noch nicht. Und die Zeit war mehr als knapp. Morgen würde die Anklage ihre Beweisführung abschließen und spätestens am Montagmorgen musste ich eine Verteidigungsstrategie parat haben. Also war jetzt der Zeitpunkt gekommen. Ich musste meine Karten auf den Tisch legen, selbst wenn es noch kein richtig gutes Blatt war.
Richter Nash lehnte sich in seinem Ledersessel zurück und nickte eine Weile mit dem Kopf. Ein großer Denker bei der Arbeit oder so was in der Art. Ich starrte Wendy an, die zurückstarrte. Höchstwahrscheinlich hätte ich als Ankläger ähnlich reagiert, auch wenn ich vermutlich ein wenig gründlicher darüber nachgedacht hätte.
» In Ordnung«, sagte der Richter. » Es wird folgendermaßen laufen. Wir werden jetzt wieder da reingehen und die Zeugenbefragung fortsetzen. Wir werden diese heute noch zu Ende bringen. Und damit dürfte die Beweisführung der Anklage vermutlich abgeschlossen sein, sehe ich das richtig, Ms. Kotowski?«
» Absolut, Euer Ehren.«
» Gut. Montagmorgen erscheinen alle wieder hier. Mr. Kolarich, ich werde mir die Sache durch den Kopf gehen lassen und vorerst auf eine Entscheidung verzichten. Aber ich kann Ihnen nur eines raten, Mr. Kolarich.« Er wackelte mit seinem knochigen Finger in meine Richtung. » Seien Sie Montag auf den Beginn Ihrer Beweisführung vorbereitet. Denn wenn Sie fest damit rechnen, dass ich ein neues Beweisoffenlegungsverfahren eröffne und Sie all diese neuen Zeugen einführen lasse, dann ist das ein Hochseilakt ohne Netz und doppelten Boden. Also tun Sie nicht überrascht, wenn ich Ihren Antrag ablehne und Sie auffordere, Ihren ersten Zeugen aufzurufen.«
Auch diese Bemerkung war für das Protokoll bestimmt, das dem Berufungsgericht vorliegen würde.
» Und da wir schon beim Protokoll sind«, fügte er hinzu, » lassen Sie uns festhalten, dass diese Informationen dem Gericht und der Staatsanwaltschaft an diesem Nachmittag zum ersten Mal vorgelegt wurden. Und nun gehen wir wieder rein.«
» Danke, Herr Richter.«
Alles in allem war es das Beste, auf was ich hatte hoffen dürfen. Der Richter gewährte mir einen Zeitraum von achtundvierzig Stunden, um meine Beweisführung zu komplettieren.
» Besser als erwartet«, raunte Shauna mir zu, als wir das Richterzimmer verließen. » Jetzt bleiben uns zwei Tage, um die Puzzleteilchen zusammenzufügen.«
79
Ich schloss mein Kreuzverhör innerhalb einer weiteren Stunde ab. Es waren ziemlich vorhersehbare Fragen; ich nahm mir die Theorie der Anklage vor und stellte sie in
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