Der falsche Mann
Pistole gesehen hat, hat sie höchstwahrscheinlich den Blick direkt darauf gerichtet, ja, vielleicht hat sie sich ihr sogar frontal zugewandt.«
Tori hörte zu und schüttelte dann den Kopf. » Ich würde mich ducken. Ich würde nicht auf die Pistole starren.«
» Das wäre deine zweite Reaktion«, sagte Joel. » Deine erste Reaktion wäre, die Waffe zu fixieren. Bedenke, dass sich das Ganze innerhalb von ein oder zwei Sekunden abgespielt hat. Wäre etwas mehr Zeit gewesen, wäre es möglicherweise anders abgelaufen.«
» Das klingt alles sehr faszinierend, Leute«, sagte ich. » Wenn das alles vorüber ist, lasst uns gemeinsamen einen Artikel darüber schreiben. Aber wie wär’s, wenn wir uns im Augenblick darauf konzentrieren, unserem Mandanten eine Verurteilung wegen Mordes zu ersparen?«
***
Peter Gennaro Ramini beobachtete, wie Jason Kolarich und die anderen den Mord an Kathy Rubinkowski nachstellten. Im Schutz der dicht gedrängten, festlich gestimmten Menge hatte er ihnen ohne Schwierigkeiten folgen können. Und er musste sich ihnen nicht weiter nähern. Ihm war klar, was sie dort taten. Also stand er etwa einen halben Block entfernt an der Kreuzung Gehringer/Ecke Mulligan, lehnte an der Tür einer Bank und hatte die Hände in die Taschen vergraben – mittlerweile so etwas wie sein Markenzeichen.
Kolarich und seine Mannschaft schienen die Details im Wesentlichen richtig zu erfassen, die Entfernung, den Winkel, die Position des Opfers. Wobei Letzteres leicht den Tatortfotos zu entnehmen war. Allerdings überraschte ihn zunächst die Genauigkeit ihrer Schätzungen die Schussdistanz betreffend. Sobald diese über einem Meter fünfzig lag, war sie nur sehr schwer zu bestimmen.
Doch dann fiel ihm die Patronenhülse wieder ein. Anhand dieser mussten sie die Entfernung bestimmt haben. Aus seiner Sicht war die Patronenhülse kein Problem gewesen, man durfte sie ruhig der Mordwaffe zuordnen; schließlich würde die Pistole ohnehin gefunden. Zudem hätte ihr Fehlen auf einen Profikiller hingedeutet und nicht, wie gewünscht, den Anschein eines amateurhaften Raubmords hinterlassen.
Jetzt sah er allerdings den Nachteil: Sie ließ auf die Distanz schließen. Und diese Distanz war bedeutsam, denn mit einer Glock auf diese Entfernung präzise zu treffen, war nicht leicht. Das gab Kolarich ein wertvolles Argument an die Hand – die Morde waren von jemandem mit Routine und Erfahrung ausgeführt worden. Von einem Profi. Einem Auftragskiller.
Er beobachtete sie, bis er alles Notwendige in Erfahrung gebracht hatte. Dann ging er nach Hause.
Morgen würde es wohl eine längere Unterredung geben.
36
Die schwarze Limousine holte Peter Ramini exakt um neun Uhr ab, als er aus dem Drugstore trat. Er ließ sich auf dem Rücksitz nieder und schob rasch die Hände wieder in die Taschen.
Neben ihm verschlang Donnie einen Bagel mit Blueberry Cream Cheese und verteilte Krümel überall auf seinem Kinn und seinem beständig anschwellenden Bauch. Dieser Kerl ähnelte einem gestrandeten Wal. Aber er war der Einzige, dem Paulie Capparelli vertraute, der Einzige, der sich hinabbeugen, Paulie etwas ins Ohr flüstern und auf gleiche Weise Ratschläge empfangen konnte.
» Was hast du, Pete?«, grunzte Donnie.
» Ich hab ein Problem, das hab ich.«
» Erzähl’s Donnie. Donnie weiß Rat.«
Ramini warf ihm einen Seitenblick zu. Manchmal vergaß Donnie, dass er lediglich der Bote war und nicht der Boss.
» Erinnerst du dich an diese Geschichte letzten Januar mit der Lady aus der Anwaltskanzlei?«
Erneut grunzte Donnie. Das bedeutete ja. » Polnischer Name.«
» Rubinkowski, richtig.«
» Gute Arbeit, mein Freund. Die Cops haben irgendeinen Typen deswegen hochgenommen, und dieser Blödmann hat auch noch gestanden.« Donnie kicherte. » Der Typ war ein Irrer, oder?«
» Richtig, Donnie. Aber hör zu. Vor Kurzem war da diese andere Geschichte – die mit Zo.«
Der Themenwechsel ließ Donnie verstummen. Natürlich erinnerte er sich daran. Lorenzo Fowler war einst der Mann gewesen, der ins Ohr des Capos flüstern durfte, nur hatte der Capo damals noch Rico Capparelli geheißen und nicht Paulie. Aber selbst nach dem Machtwechsel war Zo noch ein vertrauenswürdiges Mitglied des inneren Zirkels – bis das Problem mit dem Stripclubbesitzer auftauchte. Niemand hatte Zo angewiesen, es diesem Typen mit dem beschissenen Baseballschläger zu besorgen, sodass er anschließend an den Verletzungen starb.
Lorenzo hatte den heißen Atem der
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