Der falsche Mann
ausgeschlossen. Wir brauchen Zeit, um uns neu zu orientieren und eine andere Strategie auf die Beine zu stellen.«
Der Richter schien nicht im Mindesten davon berührt. » Sie hatten Monate, um sich vorzubereiten, Herr Anwalt.«
» Um eine Schuldunfähigkeitsverteidigung vorzubereiten, Herr Richter. Und nicht eine, die auf begründetem Zweifel basiert. Ich brauche ein Minimum von neunzig Tagen …«
» Mr. Kolarich, Sie kannten die Risiken. Sie wussten, dass der Angeklagte nicht kooperiert und sich nicht an das Verbrechen erinnert. Und Ihnen war klar, dass Ms. Kotowski diesen Antrag stellen würde. Das kommt ja wohl alles andere als überraschend für Sie.«
» Nein«, sagte ich. » Nein, Herr Richter. Die Staatsanwaltschaft hat zu lange mit diesem Antrag gewartet. Sie hätte ihn bereits vor Monaten einreichen können. Sie hat damit gewartet, bis …«
» Der Staat hat versucht, Ihren Mandanten zur Kooperation zu bewegen, Mr. Kolarich. Aber er hat sich geweigert. Das ist nicht der Fehler der Anklage. Ich habe eine Entscheidung getroffen und wünsche keine weitere Diskussion.«
» Ich verstehe Ihre Entscheidung den Antrag der Staatanwaltschaft betreffend. Aber angesichts dessen muss ich mehr Vorbereitungszeit verlangen. Sie können unmöglich von mir erwarten, in acht Tagen eine auf begründetem Zweifel basierende Verteidigung auf die Beine zu stellen.«
» Herr Anwalt«, sagte er und hob drohend den Finger, » ich habe Ihnen bereits erklärt …«
» Das ist ein Überfall aus dem Hinterhalt, Euer Ehren. Damit stehe ich völlig …«
» Herr Anwalt, unterbrechen Sie niemals das Gericht. Niemals.«
Ich hatte gegen die oberste Regel in Richter Nashs Gerichtssaal verstoßen. Und jeder wusste, dass man sich in diesem Fall besser entschuldigte, oder es wurde nur noch schlimmer.
» Ihr Antrag wird abgewiesen. Der Prozess beginnt wie geplant am ersten Dezember. Der Gerichtsdiener wird jetzt den nächsten Fall …«
» Herr Richter, das können Sie nicht tun. Wenn Sie …«
» Mr. Kolarich, Sie unterbrechen mich jetzt zum zweiten Mal. Ein weiteres Wort von Ihnen, und Sie können Ihrem Mandanten in der Zelle Gesellschaft leisten.« Der Richter legte eine Pause ein, als wollte er mich herausfordern. Ich starrte ihm unverwandt in die Augen, sagte aber kein Wort. Er konnte mein Starren schlecht als Missachtung des Gerichts deuten.
» Der Gerichtsdiener … wird jetzt … den nächsten Fall aufrufen«, sagte er.
Der Albtraum eines Prozessanwalts ist nicht so sehr, er könnte einen Fall verlieren, ja, nicht einmal, ein unschuldiger Mensch könnte wegen ihm ins Gefängnis wandern. Vielmehr plagt ihn die Angst, einen Fehler zu machen, einer groben Fehleinschätzung zu erliegen, die ihm die alleinige Schuld aufbürdet am Verlust der Freiheit seines Mandanten.
Die Ablehnung einer Schuldunfähigkeitsverteidigung war das geringere Problem in diesem Fall. Höchstwahrscheinlich hätte ich ohnehin keinen Gebrauch davon gemacht. Aber in diesem Augenblick wurde mir erst so richtig klar, wie sehr ich auf Toms Verhandlungsunfähigkeit oder einen Verhandlungsaufschub gesetzt hatte, die Richter Nash mir gewissermaßen als Trostpreis gewähren würde. Leider hatte ich mich getäuscht. Meiner Ansicht nach hatte der Richter einen groben Fehler gemacht, doch seit wann konnte man sich auf die Unfehlbarkeit eines Richters verlassen?
Ich blickte hinüber zu meinem Mandanten. Tom starrte immer noch zu Boden, er schien gleichgültig gegenüber den Ereignissen und vollauf mit seinen Ticks beschäftigt. Für einen Moment fing ich seinen Blick auf, bevor der Justizbeamte ihn aus dem Saal führte.
» Was bedeutet das?« Tante Deidre packte mich bei den Armen, während sich das Gericht den nächsten Fall vornahm.
» Wir finden eine Lösung«, versicherte ich ihr und schob sie in Richtung Ausgang. » Wir finden bestimmt eine Lösung.«
Nie hatte ich Worte, von denen ich nicht überzeugt war, mit solcher Überzeugung geäußert. Ich hatte mich selbst ausgetrickst, indem ich die Unberechenbarkeit eines Richters nicht mit einkalkuliert hatte, und die Folgen dieser Fehleinschätzung würde nicht ich zu tragen haben.
38
Peter Ramini hielt den Kopf gesenkt, während er sich durch das Restaurant auf der West Side drängte. Möglicherweise waren unter den Stammgästen ein paar Bekannte, und er hatte keine Lust auf Small Talk. Er bewegte sich entlang der Bar, fern von den Tischen. Espressogeruch stieg ihm in die Nase und erzeugte einen fast
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