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Der falsche Mann

Der falsche Mann

Titel: Der falsche Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ellis
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2005. Damals war dieser Tag ein Freitag. Der Tag nach Thanksgiving.«
    Komisch, dass sie das Datum noch so genau wusste. Vermutlich weil es mit einem Feiertag verbunden war.
    Aber eine Ehe endete mit einem Scheidungsurteil. Und man fand schwerlich ein Gericht, das an dem Feiertag nach Thanksgiving geöffnet hatte.
    Tori ließ meine Hand los und starrte aus dem Fenster.
    » An dem Tag habe ich ihn getötet«, erklärte sie mir.
    Ich war mir nicht sicher, ob ich sie richtig verstanden hatte. Sie hatte mir nie etwas von ihrer Familie erzählt, abgesehen davon, dass ihr Vater gestorben war. Und jetzt offenbarte sie mir …
    Hatte sie gerade erklärt, dass sie ihren Mann getötet hatte?
    » Er war gewalttätig«, sagte sie mechanisch. » Er hat mich jahrelang geschlagen. Eines Tages konnte ich es nicht mehr ertragen. Ich habe nicht versucht, ihn zu verlassen. Ich versuchte es nicht übers Gericht. Ich kaufte einfach eine Waffe und erschoss ihn. Er hatte mich in den Nächten davor ein paarmal geschlagen. An Thanksgiving hatte er sich bei einem Essen mit seiner Familie betrunken, und als wir nach Hause kamen, benutzte er mich als Punchingball. Am nächsten Morgen bin ich mit Platzwunden und blauen Flecken übersät aufgewacht und bekam kaum noch Luft. Ich fühlte mich wie in einer Falle. Er hatte sich immer wieder mal bei mir entschuldigt und mir versichert, er würde sich ändern, aber das waren alles leere Versprechungen gewesen, und der Kreislauf hatte von vorne begonnen. Ich konnte es einfach nicht mehr ertragen. Irgendwas ist in mir zerrissen. Ich holte meine Pistole aus dem Schrank und ging runter in die Küche. Er schrie mich an, weil ich ihm keinen Kaffee gemacht hatte. Ich schoss ihm in die Brust. Er ist vor mir auf dem Küchenboden verblutet.«
    Ich war mir nicht sicher, wo ich anfangen sollte, oder ob ich überhaupt etwas sagen sollte. Ich erinnerte mich an unsere erste Begegnung, als die beiden Schlägertypen sie belästigt hatten und der eine vor der Tür ihren Arm packte. Und mir fiel ein, wie sie reagiert hatte, als ich erwähnte, dass einer meiner Mandanten wegen Mordes an einer Frau angeklagt war.
    » Wenn ich gleich den Krankenwagen gerufen hätte, hätten sie ihn vielleicht noch retten können. Aber ich tat es nicht. Ich wollte nicht, dass er lebte. Er sollte sterben.«
    » Tori …«
    » Als die Polizei eintraf, sahen sie mich dahocken, kläglich und klein, und diesen Schläger von einem Ehemann, und ich glaube, sie wollten mir helfen. Sie ließen einen weiblichen Detective mit mir reden. Sie fragte mich immer wieder, was vor dem Schuss geschehen war. Ich erzählte ihr die Wahrheit. Dass er mich wegen des Kaffees beschimpft hatte. Und sie sagte: ›Und dann hat er Sie geschlagen?‹ Und ich begann ihr zu erklären, nein, er hat mich am Abend zuvor geschlagen. Aber dann wurde mir klar, dass niemand das verstehen würde. Ich würde nur damit durchkommen, wenn sie dachten, er hätte mich in diesem Moment geschlagen. Also log ich. Ich hab behauptet, er hätte mich an diesem Morgen verprügelt und ich hätte Angst um mein Leben gehabt. Ich log, weil ich Angst hatte, sie würden mich sonst ins Gefängnis stecken.«
    Langsam drehte sie den Kopf und sah mir in die Augen.
    » Du wolltest mehr über mich wissen, Jason. Jetzt weißt du mehr. Schön, dich kennengelernt zu haben. Die meisten Männer mit ein bisschen Verstand würden sich jetzt umdrehen und die Flucht ergreifen.«
    » Willst du das denn? Dass ich mich umdrehe und die Flucht ergreife?«
    Sie starrte mich an, die Kiefer wütend zusammengebissen, aber in ihren Augen bildeten sich Tränen. Es war der erste Riss in ihrem Panzer. » Ich weiß nicht«, sagte sie. » Vielleicht.«
    » Dann musst du mich schon wegstoßen«, sagte ich. » Von selbst renne ich nicht weg.«
    Ich nahm ihre Hand und hielt sie lange Zeit in meiner. Ich näherte mich ihr nicht. Und sie bewegte sich nicht auf mich zu. Sie begann, sich mir zu öffnen, aber es würde nur in kleinen Schritten vorangehen. Das war in Ordnung. Ich konnte warten. In vielerlei Hinsicht war es eine furchtbar ungünstige Zeit für diese Offenbarung, wenn ich an die vor mir liegende Aufgabe und die Zeitnot dachte. Aber für sie war es eine Art Jahrestag, und es beschäftigte sie. Außerdem hatte sie mich wie einen kleinen Jungen jammern und klagen sehen, und das hatte sie wohl ermutigt.
    Wir haben noch viel Zeit, dachte ich. Sobald dieser Prozess vorüber war, hatten Tori und ich jede Menge Zeit.
    Und dann

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