Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)
Faust, die auf meinen Schädel traf, fast genauso groß war wie dieser.
»Doch nicht hierhin, du Idiot! Das ist das Bidet!«
Das war Dschingis.
»Ja und? Gibt nichts Besseres, um ihn zu waschen!«
Das war Bastard.
»Sollen wir ihn vielleicht an Essig riechen lassen?«
Das war Pat.
Es folgten eisiges Wasser und Shiguljowskoje-Flaschen am Boden des Jacuzzi.
So enden allzu aggressive Diver. Sie werden in einer Wanne mit Bier ertränkt. Wo sie keine Luft mehr kriegten.
Mit letzter Kraft versuchte ich aufzutauchen. In dem Moment wurde ich aus dem Wasser gezogen.
»Alles klar?«, fragte Dschingis besorgt. »Siehst du irgendwas doppelt?«
Er hatte mich in den Jacuzzi gesteckt.
Bastard stand etwas abseits. Er rieb sich die Wange, die, wie ich voller Genugtuung registrierte, blau leuchtete. Ein Glas in seiner Brille war gesprungen. Er sah ziemlich zerknirscht drein.
»Kannst du sprechen?«, fragte Dschingis noch besorgter.
»Ja«, presste ich heraus. Mein Kiefer schmerzte, aus meiner Nase tropfte unaufhörlich Blut, das Wasser in der Wanne hatte bereits eine zartrosa Färbung angenommen.
Aber sprechen konnte ich.
»Er ist selbst schuld!«, rief Bastard im Ton eines Schülers, der vor den Direktor zitiert wird. »Das war eine reine Reflexhandlung meinerseits, verdammt noch mal! Wer austeilt, muss auch einstecken können!«
»Du hast Romka umgebracht«, giftete ich. »Du … abgearschter Hacker …«
»Das habe ich nicht!!!«
»Wieso lebst du dann? Während Romka tot …«
Dschingis tauchte meinen Kopf so geschickt in den Jacuzzi, dass ich den Rest des Satzes verschluckte. Sofort zog er mich wieder heraus.
»Spar dir diese Töne, Ljonka. Bastard geht nicht in Sack und Asche, aber das heißt nicht, dass ihn der Tod des Jungen kaltlässt. Er hat einfach schon zu viele Tote gesehen. Und dein Romka war für ihn nur einer von hundert kleinen Hackern. Und jetzt reiß dich zusammen!«
»Es tut mir wirklich sehr leid«, versicherte Bastard. Er nahm die Brille ab. Mit seinem kurzsichtigen Blick machte er einen schutzlosen Eindruck. »Wenn du willst … Diver … kannst du mir jetzt eine knallen! Ich werde mich auch nicht wehren!«
»Er ist sofort zu dem Jungen hin«, brachte mir Dschingis in Erinnerung. »Noch auf dem Weg zu ihm hat er mich angerufen, um mir anzukündigen, dass er eventuell einen Newbie verstecken muss, nach dem gefahndet wird. Dafür bräuchte er Geld und falsche Papiere …«
»Ich habe nicht gewusst, dass diese Scheißwaffe existiert.« Bastard stand noch immer in Erwartung eines Schlags da. »Eine Waffe der dritten Generation. Nun schlag schon zu! Danach fühlst du dich besser. Das weiß ich.«
»Ist er wirklich tot?«, fragte ich. Am liebsten hätte ich losgeheult. Nur ist es verdammt schwierig, mit nassem Gesicht zu weinen.
»Ja.«
»Ging es schnell?«
»Ich fürchte nicht«, antwortete Bastard nach kurzem Zögern. »Es war ein beschissener Tod, Diver. Tut mir leid … aber das ist die Wahrheit.«
Ich riss mich aus Dschingis’ Umklammerung los und stürzte auf den Hacker zu.
Bastard kniff die Augen zusammen. Genau wie ein Kind.
Ich sackte neben dem Bidet auf den Boden. Jetzt fing ich doch an zu weinen.
Scheiße. Das war verdammt scheiße.
Ich hörte, wie sie das Bad verließen. Noch eine ganze Weile kauerte ich da, schluchzte, wischte mir immer wieder die Tränen ab und betastete meinen schmerzenden Kiefer. Irgendwann legte sich mir eine Hand auf die Schulter. Da wurde mir klar, dass ich nicht allein war.
»War er dein bester Freund?«
»Nein … ich weiß nicht …«, flüsterte ich. »Nein, wahrscheinlich nicht.«
»Weine nicht!«, sagte Pat ernst, nachdem er sich neben mich gehockt hatte. »Romka ist immerhin im Kampf gestorben. In der Tiefe . Wie ein echter Hacker. Also ist er am Ende doch noch ein Hacker geworden. Er hat sich ein Ziel gesetzt – und er hat es erreicht.«
»Es ist keine Heldentat zu sterben, Pat.«
»Ich weiß. Das sagt Bastard auch immer. Und Dsching. Aber Romka wusste doch, dass die Sache nicht ungefährlich ist, oder?«
»Wahrscheinlich schon. Aber er war kein Hacker. Er war ganz anders gepolt.«
»Trotzdem hat er sich auf den Hack eingelassen. Für ihn war das eine Heldentat. Er hat etwas gewagt. Und er hat gewonnen. «
»Er hat verloren, Pat. Schlimmer hätte er gar nicht verlieren können.«
»Das sehe ich anders.«
Ich sah Pat an, wobei ich mich nicht mal meiner Tränen schämte. Er hatte zu lange neben mir gestanden und gehört, wie ich
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