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Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Der falsche Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Sentimentalitäten anzuhören.
    »Ich habe sie mir nicht angesehen, habe einfach nicht daran gedacht. Sobald ich festgestellt hatte, dass sich die Beute nicht auf der Kiste befand, war mir klar, dass er es nicht geschafft hat, die Daten zu kopieren. Ich habe dann in seiner Kiste ein altes, aber zuverlässiges Programm entdeckt. Pure Conscience. Das habe ich gestartet, dann bin ich gegangen. Seinen Eltern habe ich gesagt, wir hätten in der Tiefe gechattet und plötzlich habe der Junge keinen Mucks mehr von sich gegeben.«
    »Trotzdem bleibe ich dabei, Bastard. Es ist nicht mit hundertprozentiger Sicherheit gesagt, dass der Junge aus der Tiefe heraus getötet wurde. Schließlich hat es schon genug Zufälle dieser Art gegeben, Infarkte, Schlaganfälle …«
    »Er wurde getötet. Das hab ich im Gefühl.« Bastard nahm sich eine neue Flasche. »Ein neues Zeitalter ist angebrochen, Dsching.
Ein beschissenes Zeitalter. Eins, in dem du in der Tiefe richtig morden kannst.«
    »Hast du das gehört, Pat?« Dschingis sah den Jungen an. »Damit kannst du dir die Besuche in Deeptown abschminken.«
    »Nein!«
    »Doch!« In Dschingis Stimme schwang erneut eisige Kälte mit. »Und keine Widerrede! Morgen wird hier das Glasfaserkabel abmontiert. Sie sollen es einfach kappen und mitnehmen. Und die Modems kommen auch weg. Um dich gar nicht erst in Versuchung zu führen!«
    »Aber ich hacke doch gar nicht!«
    »Aber du träumst davon! Und du hast es schon versucht. Wegen ein paar gefälschter Kreditkarten bringt dich niemand um. Früher oder später wirst du jedoch echte Heldentaten vollbringen wollen. Und dann fängst du dir aus der Tiefe heraus eine Kugel ein.«
    »Dann wirst du dich für mich rächen«, brummte Pat.
    »Ich ziehe es vor, auf diese Rache zu verzichten«, erwiderte Dschingis mit überraschender Zärtlichkeit. »Ich habe nämlich einfach keine Lust, auf den Friedhof zu fahren und Blumen auf ein Grab zu legen.«
    Dann wandte er sich Bastard zu: »Und du alter Esel mach dich auf einiges gefasst! Du wirst das noch bitter bereuen! Einen Jungen mit zu einem Hack zu nehmen! Ohne die möglichen Gefahren abzuschätzen! Ach nein, das ist ja bloß eine kleine Firma, was sollen die sich schon für einen Schutz leisten können!«
    »Du hast ja recht!«, brüllte Bastard. »Das ist meine Schuld! Aber wie hätte ich das voraussehen sollen? Außerdem war der Junge nicht zum ersten Mal in der Tiefe ! Vor zwei Jahren ist er sogar bei Al Kabar eingestiegen!«
    Ob sich ein Muskelkrampf genauso anfühlte wie das, was mich gerade erfasste?
    Wenn die Hände leicht zittern, die Beine in den Knien steif werden, der Kiefer klappert und du kein einziges Wort herausbringst?
    »Glaubst du eigentlich jeden Scheiß, den dir ein Junge vorsetzt? «, wetterte Dschingis. »Als ob du noch nie gehört hast, wie sich Pat vor seinen Freunden dicke tut!«
    Nein, ein Muskelkrampf musste sich anders anfühlen. Ich konnte ja noch atmen, meine Lungen verarbeiteten die eingeatmete Luft ohne Probleme. Ich sah, wie das Bier im Krug schwappte, als der mir beinahe aus den Händen gefallen wäre. Auch mein Herz schlug noch. Zwar wie verrückt, aber okay, solange es nur mein Blut durch die Adern pumpte. Selbst wenn das wehtat.
    »Wie hieß er?«, fragte ich. Mir kam es vor, als klinge meine Stimme völlig normal. Aber aus irgendeinem Grund zuckten die drei anderen zusammen.
    »Ich nenne keine Namen …«, setzte Bastard an.
    »Ihm schon!«, verlangte Dschingis scharf.
    »Romka.«
    »Er ist in Al Kabar eingestiegen«, sagte ich. »Vor zwei Jahren. Da war er fünfzehn. Aber das wusste ich damals nicht.«
    »Wer bist du, Leonid?« Bastard starrte mich mit großen Augen an.
    »E-ein Di-diver.« Mit einem Mal fing ich an zu stottern. »Und auch Romka war ein Diver. Bis wir dann beide zu einem Niemand wurden. Ich habe mich damit abgefunden, aber er wollte anscheinend Hacker werden …«
    »Hol mich doch … ein Diver!«, platzte es aus Bastard heraus. »In der realen Welt! Heute! Ein echter Diver!«
    Wie absurd das doch war. Ihn haute meine Vergangenheit, die nichts mehr zählte, mehr um als die Tatsache, dass es Romkas Zukunft nicht mehr gab!
    Mit dem noch fast vollen Bierkrug beugte ich mich über den Tisch, fegte die Flaschen weg, verpasste Bastard einen Kinnhaken – und wurde durch die Luft geschleudert.
    Die Kraft entspricht der Gegenkraft – aber dieses Gesetz galt nur für physische Objekte. Mit biologischen sah die Sache offenbar anders aus.
    Vor allem da die

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