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Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Der falsche Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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ist«, sagte ich.
    »Auf den Menschen, der von uns gegangen ist«, meinte Dschingis.
    »Möge die Tiefe gut zu ihm sein.« Pat sah erst Bastard, dann mich unsicher an.
    Ich nickte.
    Wir tranken auf ex.
    »Jeder muss seine eigenen Entscheidungen treffen«, bemerkte Dschingis. »Mach dir keine Vorwürfe, Leonid!«
    »Quatsch! Natürlich kannst du auch Entscheidungen für andere treffen«, knurrte Bastard. Statt Saft nachzutrinken, hielt er sich den Arm vors Gesicht. »Nur klaust du diesem anderen dann sein Leben. Und das würde dir ja wohl auch nicht gefallen, oder?«
    Ich hüllte mich in Schweigen. Sie hatten beide recht. Gleichzeitig musste es noch eine dritte Wahrheit geben. Nämlich dass jeder Freund, der stirbt – sei es nun in der Tiefe oder in der realen Welt – auf dein Konto geht.
    »Morgen findet die Beerdigung statt«, teilte Bastard uns unvermittelt mit. »Gehst du hin, Leonid?«
    »Nein«, antwortete ich.
    »Warum nicht?«, wollte Bastard wissen.
    »Ich kannte ihn nur in der Tiefe . Und dort lebt er noch. Selbst wenn die Tiefe ihn getötet hat.«
    »Hat sie das? Hat wirklich die virtuelle Welt auf den Abzug gedrückt? Obwohl sie noch nicht mal Finger hat?« Dschingis sah mich aufmerksam an. »Leonid, jetzt denk mal in Ruhe nach! Dein Freund wurde mit einer Waffe getötet, deren Existenz bisher immer bestritten wurde.«
    »Darauf hat Pat mich auch schon hingewiesen.«
    »Pat ist ein kluger Kopf. Hast du dann auch den nächsten Schritt gemacht?«
    Ich sah ihn verständnislos an.
    »Leonid, wenn du zu einem kleinen Büro am Stadtrand von Moskau gehst … sagen wir mal, um Büroklammern und Klopapier zu klauen … und der Wachschutz geht mit Laserpistolen auf dich los … was denkst du dann?«
    Er war sehr ernst.
    Mit einem Mal fing ich an zu zittern. Eine Herde besoffener Ameisen flitzte über meine Haut. Es war, als hätte ich einen Schrank geöffnet und in ihm ein Skelett entdeckt, das in meinem einzigen anständigen Anzug steckte.
    »Das müssen verdammt wichtige Daten gewesen sein«, sagte ich. »So wichtig, dass nicht nur die beste Firma zum Schutz herangezogen wurde, sondern auch streng geheime Waffen eingesetzt wurden. Die vielleicht fürs Militär … oder die Regierung entwickelt wurden.«
    »Oder für die freie Wirtschaft«, ergänzte Dschingis sanft. »Eine profitorientierte, knallharte Firma hat allemal bessere Möglichkeiten, ein Geheimnis zu schützen, als die CIA oder der Nachrichtendienst des Militärs.«
    »Was könnte noch wichtiger sein als eine Waffe der dritten Generation? Denn die sprengt ja bereits unsere Vorstellungskraft. Sie wird unsere Einstellung zu Rechnern und zur Tiefe von Grund auf ändern! Was also könnte noch wichtiger sein?«
    Dschingis und Bastard wechselten beredte Blicke.
    »Das solltest du so schnell wie möglich herausfinden, Diver«, sagte Bastard finster.
    »Und warum bitte schön?«
    »Weil ich diesen Kugeln nur rein zufällig entgangen bin!«, brüllte Bastard, ohne dass er Pat vorher weggeschickt hätte, um vor ihm nicht das Gesicht zu verlieren. »Wäre ich nicht abgehauen und hätte ich nicht aus alter Gewohnheit den Timer auf fünf Minuten nach Beginn des Bruchs eingestellt, würde mir nur noch blutiger Speichel aus der aufgebissenen Zunge sickern!«
    Er verstummte, aber da war es bereits zu spät. Ich wusste jetzt, was er gesehen hatte, als er Romka den VR-Helm abgenommen hatte.
    »Nur geht das über meine Möglichkeiten«, stellte ich klar. Mein Blick wanderte über alle Gesichter, das des neureichen Hackers,
das des angepunkten Hackers und das des Jungen, der davon träumte, ein Hacker zu werden. »Ihr wisst doch genau, wozu wir Diver taugen und wo wir jämmerlich versagen. Deshalb knacke ich nicht mal die simpelste Sicherheitssoftware!«
    »Ich weiß nicht, was du fertigbringst und was nicht«, bemerkte Dschingis. »Aber wenn Gefahr im Verzug ist, kannst du die Tiefe verlassen. Daran scheitert Tocha. Und ich auch.«
    »Ihr solltet die Tiefe sowieso vorerst meiden. Ich sehe ja ein, dass ein verantwortungsvoller Mann wie du, Dschingis …«
    »Pat wird nicht mehr in die Tiefe gehen«, unterbrach mich Dschingis. »Ich werde alle Zugänge verrammeln. Bis auf die auf meiner Kiste, aber die rührt er nicht an. Oder?«
    »Und ich gehe von hier aus eh nur in Kneipen oder treff mich mit Frauen.« Bastard grinste. »Ich werde doch nicht vor meiner eigenen Haustür ein krummes Ding drehen. Und unser Freundchen hier wird meinen Lap nicht mehr in die Finger bekommen!

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