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Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man

Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man

Titel: Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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kann ich leider nichts unternehmen, Amelia. Das liegt allein in den Händen der Kommission, und die hat ihr Urteil bereits gefällt. Aber ich werde gegen die Suspendierung angehen. Allerdings kann ich nichts versprechen. Ramos hat Beziehungen, und zwar in der ganzen Stadt.«
    Sie kratzte sich am Kopf, bis es wehtat. Als sie die Hand wieder sinken ließ, spürte sie Blut an den Fingern. »Darf ich offen sprechen, Sir?«
    Marlows Schultern sackten ein Stück herunter. »Herrje, Officer, natürlich. Glauben Sie mir, die Sache geht mir gegen den Strich. Sagen Sie, was Sie möchten. Und Sie brauchen auch nicht so steif dazusitzen. Wir sind hier nicht bei der Armee.«
    Sachs räusperte sich. »Falls er tatsächlich meine Suspendierung beantragt, wende ich mich sofort an die Anwälte der PBA, Sir. Ich bringe die Vorfälle ans Licht. Und ich gehe so weit wie nötig.«
    Sie meinte es ernst. Obwohl sie wusste, dass niedere Beamte, die mit Hilfe der Patrolmen’s Benevolent Association gegen eine Diskriminierung oder Suspendierung vorgingen, inoffiziell ein Stigma davontrugen. Viele von ihnen wurden danach regelrecht kaltgestellt, auch wenn sie formal einen Sieg errungen hatten.
    Marlow sah ihr ruhig ins Gesicht. »Ich nehme das zur Kenntnis, Officer.«
    Also wurde es Zeit für die harten Bandagen.
    Ihr Vater hatte ihr einst beschrieben, was es bedeutete, Polizist zu sein.
    Amie, du musst eines begreifen: Manchmal ist es hektisch, manchmal bewirkst du etwas, manchmal ist es langweilig. Und gelegentlich – Gott sei Dank nicht allzu oft – musst du harte Bandagen anlegen. Dann geht’s zur Sache. Du stehst dann ganz allein, und niemand wird dir helfen. Und ich meine hier nicht nur irgendwelche Straftäter. Nein, manchmal wirst du gegen deinen Vorgesetzten antreten. Manchmal gegen
seine
Vorgesetzten. Oder auch gegen deine Kollegen. Wenn du Polizist sein willst, musst du bereit sein, dich allein durchzusetzen. Daran führt kein Weg vorbei.
    »Nun, vorerst befinden Sie sich ganz normal im Dienst.«
    »Ja, Sir. Wann erfahre ich Näheres?«
    »In ein oder zwei Tagen.«
    Sie ging zur Tür.
    Blieb stehen und drehte sich um.
    »Sir?«
    Marlow hob den Kopf, als sei er überrascht, dass sie noch immer im Raum war.
    »Ramos hat mitten in meinem Tatort herumgewühlt. Gesetzt den Fall, Sie wären an seiner Stelle dort gewesen oder der Bürgermeister oder der Präsident höchstpersönlich – ich hätte genau das Gleiche getan.«
    »Deshalb sind Sie ja auch die Tochter Ihres Vaters, Officer, und er wäre bestimmt stolz auf Sie.« Marlow nahm den Telefonhörer von der Gabel. »Hoffen wir das Beste.«

…Fünfzig
    Thom ließ Lon Sellitto ins Haus. Lincoln Rhyme saß am Fuß der Treppe in seinem leuchtend roten Rollstuhl und schimpfte mit den Handwerkern. Die Männer waren im Schlafzimmer mit der Ausbesserung der Brandschäden beschäftigt und brachten soeben Trümmer nach unten. Rhyme ermahnte sie mürrisch, gefälligst auf die Holzvertäfelung Acht zu geben.
    »Lass sie in Ruhe, Lincoln«, wies Thom ihn zurecht und wollte in die Küche gehen, um das Mittagessen zuzubereiten. »Seit wann interessierst du dich für die Vertäfelung?«
    »Es geht ums Prinzip«, entgegnete der Kriminalist angespannt. »Es ist
meine
Vertäfelung und
deren
Ungeschicklichkeit.«
    »So ist er immer, wenn ein Fall abgeschlossen wurde«, sagte der Betreuer zu Sellitto. »Haben Sie nicht zufällig einen komplizierten Raubüberfall oder einen Mord für ihn, damit er Ruhe gibt?«
    »Ich brauche keine Ruhe«, rief Rhyme dem Betreuer hinterher. »Ich brauche Leute, die sorgfältig mit den Wänden umgehen.«
    »He, Linc«, sagte Sellitto. »Wir müssen reden.«
    Der Kriminalist registrierte den Tonfall – und den Blick. Sie arbeiteten schon seit vielen Jahren zusammen, und er bemerkte sofort, was in dem Detective vorging, vor allem wenn Sellitto beunruhigt war. Was ist denn
nun
schon wieder los?, dachte Rhyme.
    »Ich hab etwas aus der Chefetage der Patrol Services Division gehört. Es geht um Amelia.« Sellitto räusperte sich.
    Rhymes Herz schlug eindeutig schneller. Er konnte es natürlich nicht direkt spüren, aber er merkte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss.
    Eine Kugel, ein Autounfall, waren seine ersten Gedanken.
    »Red weiter«, sagte er ruhig und leise.
    »Sie ist durchgefallen. Bei der Sergeant-Prüfung.«
    »Was?«
    »Ja.«
    Rhymes unwillkürliche Erleichterung verwandelte sich sofort in Mitleid.
    »Es ist noch nicht offiziell«, fuhr der Detective fort.

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