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Der Favorit der Zarin

Der Favorit der Zarin

Titel: Der Favorit der Zarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Abfolge und den Sinn der Ereignisse richtig?«
    »Ja!«, stimmte Mitja zu. »Und ob! Erst jetzt habe ich Metastasios Intrige ganz durchschaut!«
    »Wirklich?«, fragte Daniel kopfschüttelnd. »Zur völligen Klarheit fehlt mir noch etwas.«
    »Was denn?«
    »Ich kann es bisher noch nicht sagen. Da muss ich erst mal nachdenken. Also, mein lieber Kamerad, wir brauchen uns nicht abzuhetzen, um nach Moskau zu kommen. Erstens gibt es keinen Grund zur Eile, weil uns keiner mehr verfolgt. Zweitens habe ich versprochen, dich zu Pawlina Anikitischna zu bringen, die einen Umweg macht und bei ihrem Onkel nicht früher als in zwei, drei Tagen eintrifft. Drittens gibt es in der von dir erzählten Geschichte etwas Merkwürdiges, das ich ahne, aber noch nicht genau benennen kann. Ehe wir nicht in allem klar sehen, halte ich es für gewagt, dich in dein Elternhaus zurückzuschicken – es wäre für den Italiener ein Leichtes, dich gefährlichen Zeugen dort zu finden. Signore Metastasio hat mit Sicherheit noch andere Helfer außer Pikin.«
    Und Pikin sollte man auch nicht ganz vergessen, bemerkte Mitja, der das allerdings nicht laut sagte, sondern nur dachte – er wollte seinem gutgläubigen Freund nicht die Laune verderben.
    »Also nicht nach Moskau?«, sagte er. »Wohin denn dann?«
    Daniel breitete die Landkarte aus.
    »Gorodnja haben wir hinter uns . . . Wenn wir in der Stadt Klin von der Landstraße nach Moskau abbiegen und zwanzig Werst Richtung Dmitrow fahren, dann kommen wir zu den großen Ländereien des Brigadiers Ljubawin. Das ist ein alter Freund von mir und ehemaliger Kommilitone. Ich hoffe, Miron weilt unter den Lebenden und ist bei guter Gesundheit. Als die Verfolgungen der angeblichen Jakobiner begannen, verließ er Moskau, und er hält sich bestimmt auch jetzt auf dem Land auf.«
    »War dieser Herr ebenfalls ein Mitglied in Ihrer Gesellschaft?«, fragte Mitja scharfsinnig. »Wie Ihr Nowgoroder Freund?«
    »Nein, Ljubawin ist ein Praktiker. Die von der Bruderschaft des Gold- und Rosenkreuzes propagierten Ideen einer sittlichen Umgestaltung waren für den aktiven Geist Ljubawins entschieden zu umständlich. Aber er ist ein äußerst wertvoller und guter Mensch. Also auf, fahren wir zu Ljubawin, zur Sonnenstadt.«
    In Klin musste Mitja sich wieder umziehen. Miron Ljubawin, der Vondorins Gewohnheiten kannte, hätte sich sehr gewundert, wenn sein alter Freund mit einem mitreisenden Kosaken bei ihm aufgetaucht wäre. Außerdem konnte man Mithridates doch nicht beim Gesinde einquartieren, wenn sie mehrere Tage blieben. Deshalb beschloss Daniel nach kurzem, aber ihn schwer ankommendem Abwägen, Mitja als seinen Sohn auszugeben. Der Brigadier, der das Einsiedlerleben auf seinem Gut bereits geführt hatte, als Vondorin die traurigen Ereignisse trafen, würde wohl kaum etwas vom Schicksal des kleinen Samson gehört haben.
    Mitja musste sich von der Pekesche und der imposanten Mütze eines echten Saporoger Kosaken trennen. Er bekam ein Feh, eine Weste, eine Culotte, Schuhe, Leinenhemden und alle sonstigen für die Garderobe eines vornehmen Mannes unerlässlichen Accessoires, und, mit Speck eingerieben und mit Puder bestreut, färbte sich auch sein Haar wieder weiß.
    »Fast wie ein Marquis aus Versailles«, scherzte Daniel, als er den verwandelten Weggefährten begutachtete.
    Mitja konnte nur mit den Achseln zucken: Ihr habt ja keine Ahnung, Daniel Ilarionowitsch, wenn Ihr mich erst im Winterpalais gesehen hättet!
    Kaum hatten sie die Landstraße nach Moskau verlassen, da begannen auch schon die Ländereien von Miron Antiochowitsch Ljubawin, die sich endlos dehnten.
    »Miron ist reich«, erzählte Vondorin. »Außer Sonnenstadt hat er hier noch drei oder vier Dörfer und außerdem Höfe, Landhäuser, Manufakturen, ein Gestüt und Wald; guck mal, wie viele Mühlen allein auf den Hügeln stehen. Ihm gehören anderthalbtausend Leibeigene, und wenn man die Weiber dazurechnet, ist es doppelt so viel. In Deutschland wäre das eine ganze Grafschaft. Schau mal, Dmitri, wie gut sie es hier haben.«
    Sie näherten sich gerade dem Ort Sonnenstadt, der wirklich erstaunlich reich und sauber aussah.
    Es gab zwar nur eine einzige Straße; die aber war breit, schneefrei und – für ein Dorf ganz ungewöhnlich – mit Steinen gepflastert. Auch solche Häuser wie in Sonnenstadt hatte Mitja noch nie gesehen. Obwohl aus Holz, waren sie alle nicht mit Stroh oder Dachschindeln, sondern mit richtigem Eisen gedeckt; und auch wenn eins der Gebäude

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