Der FC Bayern und seine Juden
Niederlanden
Nicht nur deutsche Juden sind beim FC Bayern willkommen, sondern auch Ausländer. 1902 zieht der aus Arnheim stammende Niederländer Willem Hesselink nach München, um sein Studium der Chemie fortzusetzen. Daheim hat der Sohn eines Weingroßhändlers, der auch Vize-Konsul von Spanien war, bereits an der Universität Leiden unter den späteren Nobelpreisträgern Hendrik Anton Lorentz (1902) und Heike Kamerlingh Onnes (1913) studiert. An der Ludwig-Maximilian-Universität wird nun Conrad Wilhelm Röntgen, Nobelpreisträger 1901, zu seinen Professoren gehören.
Wie viele hinzugezogene Studenten vor ihm schließt sich auch Hesselink dem FC Bayern an. Der Neue erweist sich als Glücksfall für den Klub. Mit seinen 24 Jahren bringt er bereits ein enormes Ausmaß an Erfahrung mit – als Spieler wie als Organisator; 1892 zählte er als 14-Jähriger zu den Gründern von Vitesse Arnheim. Hesselink war ein vielseitiger Athlet. Neben Fußball betrieb er noch Cricket, Tauziehen und Leichtathletik. Über eine Meile und im Weitsprung stellte er Landesrekorde auf. Sein 6,20-Meter-Sprung aus dem Jahr 1898 wird erst 1910 übertroffen. Im Tauziehen wurde Hesselink mit seinem Team niederländischer Meister.
1899 schloss er sich der HVV Den Haag an, der Haagse Voetbal Vereniging. Wie Vitesse Arnheim hatte auch der HVV seine Wurzeln im Cricket. Diese Sportart spielt in den Niederlanden und besonders in Den Haag eine wichtige Rolle. Der in den Niederlanden aufgewachsene Schriftsteller Joseph O’Neill lässt in seinem Roman »Niederland« seine zentrale Figur, den Bankier und Hobby-Cricketer Hans van den Broek, über Den Haag und Cricket philosophieren: »Ich bin aus Den Haag, wo sich holländisch bürgerlicher Snobismus und holländisches Cricket, durchaus nicht gänzlich ohne Zusammenhang, am stärksten konzentrieren.«
Vor dem Ersten Weltkrieg ist die HVV der erfolgreichste Fußballklub der Niederlande. Von 1900 bis 1914 gewinnt sie achtmal die nationale Meisterschaft. Bei den ersten beiden Titeln, 1900 und 1901, ist auch Willem Hesselink dabei. Das in Berlin erscheinende Sportjournal »Sport im Wort« charakterisiert ihn nach einem Spiel der Berliner Preußen in den Niederlanden als »zweifellos gefährlichsten Spieler«. Mehrfach wird er in die Bondselftal berufen, der inoffiziellen Nationalmannschaft der Niederlande.
Ein Ausländer als Star und Präsident
1903 wird Willem Hesselink Präsident des FC Bayern und beerbt in dieser Funktion den Preußen Franz John. Auf dem Feld avanciert er gleichzeitig zum ersten ausländischen Star des Klubs. Daneben agiert das Multitalent auch noch als Trainer.
Sein Studium vernachlässigt er darüber keineswegs. Am 27. Juli
1904 reicht der Bayern-Präsident seine Dissertation ein. Das süffige Thema lautet: »Über die Weine des Weinbaugebietes am Douro, die sog. Portweine«. Es folgt eine Beschäftigung als Doktor der Chemie an der Hohen Philosophischen Fakultät.
Am 14. Mai 1905 läuft Hesselink zum ersten und letzten Mal für die nun offizielle niederländische Nationalmannschaft auf. Es ist das zweite offizielle Länderspiel der Niederlande. Vor 30.000 Zuschauern in Rotterdam fährt die Elftal gegen Belgien einen späten, aber klaren Sieg ein. Erst in der 74. Minute erzielt Hesselink die Führung. Zweimal Eddy De Neve, Sohn eines Majors der Königlichen Niederländisch-Indischen Armee und in Jakarta aufgewachsen, und der Arnheimer Guus Lutjens erhöhen in den folgenden zehn Minuten auf 4:0, was auch der Endstand ist.
Nach einem Zwischenaufenthalt in Frankfurt/M. (1907-1908) kehrt Hesselink in die Niederlande zurück, wo er in Arnheim ein gerichtsmedizinisches Laboratorium aufbaut und zum Direktor des Gesundheitsamtes avanciert. Hesselink wird Mitglied der Internationalen Akademie für Kriminologie und erwirbt den Ruf eines Experten für Blutanalysen, Fingerabdrücke und Schriftvergleiche. Sporthistoriker Andreas Wittner: »Noch heute kann man sich im Niederländischen Polizei-Museum in Apeldoorn über Dr. Willem Hesselink und seine zahlreichen Erfolge in der Verbrecherjagd informieren.«
Dem Fußball bleibt Hesselink weiterhin treu. Er spielt noch einige Jahre für Vitesse und wird 1913 und 1914 mit dem Klub, den er mitgegründet hat, niederländischer Vizemeister. Daneben agiert er auch als Trainer des Teams und Schatzmeister des Klubs. Von 1917 bis 1922 ist Hesselink dann Präsident von Vitesse.
Lehrstunden
Der FC Bayern entwickelt schon früh eine Vorliebe für
Weitere Kostenlose Bücher