Der FC Bayern und seine Juden
werden, wie dies in Nils Havemanns DFB-offizieller Studie über den Verband in der NS-Zeit geschieht. Dort ist von einem rein wirtschaftlich motivierten, angeblich nicht-rassistischen »Konkurrenzantisemitismus« die Rede – provoziert durch das »starke Gewicht von Juden in Vereinen, die sich für die Einführung des Profifußballs einsetzten«.
Als kurz nach dem Machtantritt der Nazis viele Juden aus den DFB-Vereinen vertrieben werden, fällt es allerdings keinem der Verbandsfunktionäre ein, dies damit zu begründen, die Juden hätten das Profitum befürwortet. Ein Zusammenhang zwischen Judentum und Profifußball wird erst in den späten 1930er Jahren konstruiert, und zwar nach dem »Anschluss« Österreichs und der damit einhergehenden Zerschlagung des Wiener Profifußballs.
Im Frühjahr 1938 steht in der Wiener Ausgabe des »Völkischen Beobachters« anlässlich eines Besuchs des Reichssportführers zu lesen, dass aufgrund der »Verjudung« die »Verhältnisse im österreichischen Sport (…) untragbar geworden« seien. Nur die »konsequente Reamateurisierung des Profifußballs« könne die »Allgemeinheit der Volksgemeinschaft« wieder dem Sport zuführen.
Guido von Mengden behauptet nach einem 0:9-Debakel für Admira Wien im ersten »großdeutschen« Meisterschaftsfinale 1939: »Das Prinzip des Profitums hat in Wien zwangsläufig seine Spuren in der Bevölkerung hinterlassen. Berufssport ist ein Geschäft und ein Geschäft verlangt geschäftliche Methoden, es verlangt Reklame, Stars, Skandälchen und Sensationen. Dieses Gift ist jahrelang mit teilweise echt jüdischer Geschicklichkeit ins Volk gespritzt worden.«
1941 wird Ernst Werner in der Berliner »Fußball-Woche« noch einmal über den »Fall Eidinger« schreiben und den Gebrüdern »semitische Schläue« attestieren. Dass die Eidingers Juden sind, war aber schon zum Zeitpunkt ihrer Profi-Tournee bekannt. Damals, im Jahr 1920, war dies allerdings kein Thema.
1943 ist es dann der ehemalige Reichstrainer Dr. Otto Nerz, der in einer Artikelserie im Berliner »12 Uhr Blatt« behauptet, dass für »die Tendenz zum Berufsfußball im damaligen Staat (gemeint ist die Weimarer Republik, Anm. d. A.) die Juden und ihre Hörigen« verantwortlich gewesen seien.
Dass sich unter den Funktionären und Mäzenen, die sich für eine Legalisierung des Berufsfußballs oder zumindest eine Lockerung des Amateurstatuts aussprachen, auch einige prominente jüdische Fußballfunktionäre befanden, lässt sich nicht bestreiten – warum auch. Möglicherweise waren Juden als »moderne Bürger« unter den Befürwortern sogar überproportional vertreten. In absoluten Zahlen blieben sie aber eine Minderheit.
Schon gar nicht lässt sich ein solcher Zusammenhang im Falle von Kurt Landauer feststellen. Wer den Sport als Wettbewerb verstand und seinen Klub nach vorne bringen wollte, kam ganz automatisch zum Professionalismus. Dafür musste man kein Jude sein.
Kapitel 6
Ein Meister gegen den Strom der Zeit
Zur Saison 1930/31 übernimmt der 42-jährige Richard »Little« Dombi das Training beim FC Bayern. Die Bayern-Chronik von 1950: »Mit ihm schienen wir endlich den Mann gefunden zu haben, der vor allem den Kontakt mit der Vereinsleitung und mit der ersten Mannschaft fand.«
Wie seine Vorgänger Dori Kürschner, Konrád Weisz und Kálmán Konrád ist Dombi Jude und ein Produkt des »Donaufußballs«. Als Spieler hatte der Wiener Dombi, wegen seines kleinen Wuchses »Little« gerufen, auch einige Male das Nationaltrikot Österreichs getragen, allerdings unter seinem Geburtsnamen Richard Kohn. Die Umbenennung zu »Dombi« erfolgte nach seinem Wechsel nach Ungarn zu MTK Budapest. Andreas Wittner: »Beim Namen Dombi handelt es sich um eine Ableitung des ungarischen Wortes ›Domb‹, was mit den Begriffen ›Hoheit‹ oder ›Eminenz‹ gleichzusetzen ist. Die wörtliche Übersetzung vom Dombi, ›kleine Eminenz‹, lässt nur erahnen, welch hohen Stellenwert man damals schon in der ungarischen Metropole dem Spieler Richard Dombi und seiner Fußballkompetenz beimaß.«
Richard Dombi war nicht der einzige »Kohn« im europäischen Fußball, der seinen stark jüdisch klingenden Namen gegen einen weniger »verfänglichen« eintauschte. Auch Fritz Kerr, der Erfolgscoach der Stuttgarter Kickers, war ein geborener »Kohn«.
Rebell am Ball
Der Spieler Richard Kohn war aufmüpfig und progressiv. Zunächst spielte er für den Wiener Athletiksportclub (W.A.C.). Als der W.A.C. am 20. Mai
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