Der FC Bayern und seine Juden
unerwünschte Elemente fernzuhalten«.
Im »Kicker« interpretiert Walther Bensemann die Beschlüsse von Hannover als Kampfmaßnahme gegen die Nachbarstaaten Österreich, Ungarn und Tschechoslowakei und deren Profifußball. Der Boykottbeschluss sei von dem Wunsch getragen, »auf die irregeführten, räudigen Schäflein in Wien und Pest eine ethische Wirkung auszuüben, auf dass sie von dem bösen Profitum ließen«. Unter dem Deckmantel der Abwehr der professionellen »Seuche« treibe der DFB »sportliche Expansionspolitik (…) mit der eigentlichen Absicht, den Professionalismus im Osten zu regulieren und gar zu erdrosseln«. Prophetische Worte, denn von 1938 an wird der DFB im Windschatten der marschierenden Wehrmacht tatsächlich seinen Amateurismus in diese Länder exportieren.
Auch beim FC Bayern stößt die Politik der DFB-Führung auf vehementen Widerspruch, wie der Festschrift zum 50-jährigen Bestehen zu entnehmen ist: »Noch zu Beginn des Jahres 1925 stiegen für den deutschen Fußballsport schwere Wetterwolken am Himmel auf. Der DFB hatte Beschlüsse ausgearbeitet, die eine Verschärfung der Amateurbestimmungen in einem Ausmaße vorsahen, wie sie von den Großvereinen niemals akzeptiert werden konnten. Vom grünen Tisch aus versuchte man, die sich deutlich abzeichnende Wegerichtung zum Professionalismus im Fußball in letzter Minute noch durch drakonische Maßnahmen zu bremsen. Diese Beschlüsse gipfelten darin, dass kein Spieler von seinem Verein irgendwelche geldlichen Entschädigungen mehr erhalten sollte, auswärtige Spieler konnten erst nach zwei Jahren ihrer Ansässigkeit in Deutschland Spielerlaubnis bekommen und der Spielverkehr mit Berufsspielermannschaften wurde verboten. Die Verhältnisse in den Großvereinen waren aber bereits so weit schon vorgetrieben worden, dass man, ohne nicht die Existenz der Vereine aufs Spiel zu setzen, niemals auf diese Bedingungen eingehen konnte. Praktisch wurde damit jeglicher Spielverkehr mit den österreichischen, tschechischen, ungarischen und englischen Mannschaften gesperrt. Die Männer im DFB hatten den Kontakt mit der Wirklichkeit bereits völlig verloren und versuchten eine Entwicklung aufzuhalten, die man niemals aufhalten konnte. Dieser Kampf zog sich die folgenden Jahre hin und musste schließlich auch mit einer Niederlage des DFB enden, wenn auch diese erst reichlich spät (1930/31) sich abzeichnete.«
Den ersten süddeutschen Meistertitel 1925/26 haben Kurt Landauers Kicker als »Halb-Profis« errungen. So schreibt Anton Löffelmeier: »Beim FC Bayern galt unter dem Trainer McPherson in der Saison 1925/26 folgender – verbotswidriger – interner Modus: Bei zweimaligem Training pro Woche erhielten die Spieler der Kampfmannschaft pro Übungstag 2,50 Mark. Dazu kam ein Abendessen, das alle Spieler gemeinsam einnehmen mussten. Für jedes Spiel in München erhielten die Spieler 10 Mark, auswärts gab es 25 Mark. Ein Stammspieler konnte also bei normalem Spielbetrieb – jeden Sonntag ein Spiel – mindestens 90 Mark monatlich verdienen. Die warmen Abendessen (Wert ca. 2,50 Mark) dazu addiert, waren es an die 110 Mark. Rechnet man Sonderprämien für Siege oder zusätzliche Startgelder für Privatspiele dazu, so erscheint ein Einkommen von bis zu 150 Mark im Monat im Bereich des Möglichen. Damit konnte man zwar keine Reichtümer anhäufen, aber wohl doch einen verbesserten Lebensstandard pflegen, wenn man bedenkt, dass Mitte der zwanziger Jahre der Monatsverdienst eines Arbeiters in München etwa 200 Mark betrug und dass 1926 in München die Durchschnittspreise für das Pfund Rindfleisch bei 1,12 Mark und das Pfund Schweinefleisch bei 1,24 Mark lagen.«
Im Tor des Meisters steht der zur Saison 1924/25 vom FC Wacker gewechselte Alfred Bernstein, dessen ominöse Schwester Alfréd Schaffer zur Spielberechtigung verholfen hatte. Bernstein ist der Sohn eines jüdischen Vaters und einer protestantischen Mutter. Vater Nathan stammte aus Ostpreußen und führte wohl ein unstetes Leben. Einige Monate saß er im Gefängnis, 1914 beging er in Wien Selbstmord. Mutter Anna brachte das Kind dann alleine durch. Alfred Bernstein war von Beruf Buchhalter, »ein typisches Fußballer-Soziogramm«, wie Anton Löffelmeier bemerkt.
Auch der große süddeutsche Rivale 1. FC Nürnberg, in den 1920er Jahren fünfmal Deutscher Meister, widersetzt sich dem DFB-Amateurismus. So protestiert der Club vehement gegen das vom DFB »zur Reinhaltung des deutschen Fußballsports«
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