Der FC Bayern und seine Juden
Leiter der Fußballabteilung wird, war der NSDAP 1928 beigetreten und profiliert sich bei der Zerschlagung der Gewerkschaften. Wie Ketterer ist Gleixner Mitglied des Münchner Stadtrats. Am 2. Februar 1941 wird Ketterer dem nationalsozialistischen Oberbürgermeister Fiehler vermelden, dass »das Führerprinzip (im Verein) immer stark ausgeprägt war und dass ein prozentual großer Anteil der Mitgliedschaft sehr früh bei der Fahne Adolf Hitlers zu finden war. Siehe große Zahl der Blutordensträger.« Und »im Gegensatz zu anderen Vereinen« – gemeint war wohl vor allem der Lokalrivale FC Bayern – seien im TSV 1860 Juden »nie hoch« gekommen.
»Entfernung der Juden«
Für den 1. April 1933 rufen die neuen Machthaber reichsweit einen »Judenboykott« aus. Auch in München kommt es zu gewalttätigen Ausschreitungen gegen jüdische Geschäfte und Einrichtungen. Die bayerische Metropole, der Hitler 1935 den Ehrentitel »Haupstadt der Bewegung« verleihen wird, ist mit besonderem Eifer dabei. Noch im März hatte der neue Oberbürgermeister Fiehler dafür gesorgt, dass kommunale Aufträge nicht mehr an jüdische Gewerbetreibende vergeben werden durften. Den städtischen Angestellten und Beamten wird untersagt, städtischerseits bezuschusste Arbeitskleidung in jüdischen Geschäften zu kaufen.
Dem antisemitischen Aktionstag folgt unmittelbar der Erlass des Gesetzes »zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums«. Einige der Turn- und Sportverbände reagieren umgehend mit der Übernahme des »Arierparagraphen« in ihrem Wirkungsbereich und mit dem Ausschluss ihrer jüdischen Mitglieder. Den Anfang machen die Turner. Am 8./9. April 1933 bekennt sich der Hauptausschuss der Deutschen Turnerschaft (DT) einstimmig zum »arischen Grundsatz« und beschließt die Einführung eines »Arierparagraphen«. Edmund Neuendorff, der neue »Führer« der DT, verpflichtet die Vereine, bis zum Turnfest im Juli 1933 in Stuttgart »alle jüdischen Mitglieder aus ihren Reihen auszuscheiden«. Hitlers rassenbiologischem Antisemitismus folgend, erläutert Neuendorf, dass der Begriff des Juden nicht durch den Glauben, sondern »durch das Blut bestimmt wird. Jude ist, wer von jüdischen Eltern stammt. Dazu genügt, dass ein Teil der Großeltern jüdischen Blutes ist.«
Als Nächster ist der Süddeutsche Fußball- und Leichtathletikverband (SFLV) an der Reihe, dessen Großvereine am 9. April folgende Erklärung verabschieden: »Die unterzeichneten, am 9. April 1933 in Stuttgart anwesenden, an den Endspielen um die süddeutsche Fußballmeisterschaft beteiligten Vereine des Süddeutschen Fußball- und Leichtathletikverbandes stellen sich freudig und entschieden den von der nationalen Regierung auf dem Gebiet der körperlichen Ertüchtigung verfolgten Besprechungen zur Verfügung und sind bereit, mit allen Kräften daran mitzuarbeiten. Sie sind gewillt, in Fülle dieser Mitarbeit alle Folgerungen, insbesondere in der Frage der Entfernung der Juden aus den Sportvereinen, zu ziehen.«
Zu den Unterzeichnern gehören alle bedeutenderen Klubs aus dem Süden. So auch der FC Bayern, an dessen Spitze noch 18 Tage zuvor der Jude Kurt Landauer stand. Die schnelle Distanzierung vom beliebten Präsidenten überrascht, zumal Landauer aus dem Klub-Milieu nicht verschwindet. Überhaupt verwundert dieser Akt des vorauseilenden Gehorsams, der einer Erklärung des DFB vorgreift und an dem neben den Bayern noch weitere Vereine beteiligt sind, die bislang ein liberales Image pflegten und in deren Geschichte jüdische Spieler, Trainer, Funktionäre oder Mäzene eine wesentliche Rolle spielten: so außer dem FC Bayern auch Eintracht Frankfurt, FSV Frankfurt, Stuttgarter Kickers, 1. FC Nürnberg oder Karlsruher FV. Allerdings ist das konkrete Zustandekommen dieser blamablen Manifestation nicht näher bekannt.
Die Erklärung der Süddeutschen bleibt nicht ohne Widerspruch. So erhält Eugen Seybold, der Herausgeber des »Fußball«, den empörten Leserbrief eines Dr. P., der seinen Namen nicht genannt wissen will. »Nationales Empfinden ist eine Selbstverständlichkeit! Wenn die in Stuttgart versammelten ›Großvereine‹ glauben, diese Selbstverständlichkeit in Form einer ›Sonderaktion‹ besonders hervorkehren zu müssen, dann machen sie sich, im Augenblick wenigstens, stark verdächtig, sich dem Zugriff der ›säubernden Staatsgewalt‹ entziehen zu wollen! Sie glauben, in der Erklärung ihrer Bereitwilligkeit, die Juden aus ihren Reihen zu entfernen, den
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