Der FC Bayern und seine Juden
›versöhnenden‹ Schritt getan zu haben. ›Captatio benevolentiae‹ lautet dafür meine Ansicht! Zu deutsch: übelste Kriecherei!« Fast scheint es, als habe Dr. P. den FC Bayern und Eintracht Frankfurt im Visier, wenn es weiter heißt: »Mancher Führer der genannten Vereine mag aus ›persönlichen Motiven‹ diese Bereitwilligkeit zum Ausdruck gebracht zu haben. Die übrigen aber, wollen sie vergessen, dass es ihrem Verein unter Führung eines jüdischen Vorsitzenden einmal sehr gut ging! Wollen ganze Vereine vergessen, dass es mit Hilfe materieller Opfer jüdischer Vereinsfunktionäre oder Gönner, mit deren ›Hinauswurf‹ sie jetzt ihre ›nationale Ergebenheit‹ dokumentieren wollen, fertigbrachten, sich über Wasser zu halten oder gar ihre Spitzenstellung zu behaupten! Führen Sie (gemeint ist der Verleger der Zeitschrift, Anm. d.A.) Ihren Kampf unbeirrbar fort, gehen Sie den Weg weiter, der nur zur Gesundung des ganzen deutschen Fußballsports führen darf, und nicht der Vormachtstellung einer Minderheit dienen soll, der jedes Mittel recht ist, um ihre ureigensten Interessen zu wahren, wobei es ihnen nicht einmal darauf ankommt, denen, auf die sie noch gestern schwörten, heute den Todesstoß zu versetzen, nur um den ›Beweis‹ ihrer 100prozentigen Bereitwilligkeit zu erbringen!«
Eugen Seybold allerdings wird diesen Kampf nicht weiterführen. Nach den Reichstags-»Wahlen« vom November 1933, bei denen 92 Prozent für die »Liste des Führers« stimmen, jubelt der »Fußball«: »Es war selbstverständlich, dass auch das Sportvolk sich in den Dienst der großen Sache stellte und unbelastet am Abend den gewaltigen Sieg der Hitler-Regierung mitfeiern wollte! Deutschlands Sportplätze waren tot. Alles stand in der Millionen-Phalanx im Kampf für den Führer.«
Scheinblüte jüdischer Sportvereine
Mit der Erklärung der süddeutschen Vereine endet am 9. April 1933 ein halbes Jahrhundert deutschen Fußballsports, eine Epoche, in der Funktionäre und Spieler, unabhängig von ihrer kulturellen, religiösen oder nationalen Herkunft, die Entwicklung des Fußballs gefördert haben.
Einen Tag später verkündet Ex-Nationalspieler Julius Hirsch seinen Austritt aus dem Karlsruher FV: »Ich lese heute im ›Sportbericht Stuttgart‹, dass die großen Vereine, darunter auch der KFV, einen Entschluss gefasst haben, dass die Juden aus den Sportvereinen zu entfernen seien. Leider muss ich nun bewegten Herzens meinem lieben KFV, dem ich seit 1902 angehöre, meinen Austritt anzeigen.« Mit Verbitterung verweist Hirsch auf den Beitrag der deutschen Juden im Ersten Weltkrieg: »Nicht unerwähnt möchte ich lassen, dass es in dem heute so gehassten Prügelkind der Nation auch anständige und noch viel mehr national denkende und auch durch die Tat bewiesene und durch das Herzblut vergessene deutsche Juden gibt.«
Durch den Ausschluss der Juden aus den paritätischen Turn- und Sportvereinen erfährt die bis dahin marginale jüdische Sportbewegung einen Aufschwung. Ihre Mitgliederzahlen steigen nun beträchtlich. Zählten der Makkabi-Kreis und der Sportbund Schild des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten (RjF) vor 1933 ca. 10.000 bis 15.000 aktive Sportler, so sind dies 1936 gut 40.000. Denn die jüdischen Klubs sind nun der einzige Ort, an dem Juden noch Sport treiben können. Insbesondere die Fußballsparten erfahren einen erheblichen Zuwachs. Was nicht verwundert, denn besonders im Fußball zogen Juden bis dahin die konfessionell ungebundenen Vereine denen der jüdischen Sportbewegung vor. Allerdings müssen jüdische Sportveranstaltungen nun polizeilich genehmigt werden, und in der täglichen Praxis sehen sich jüdische Vereine immer wieder behördlichen Schikanen ausgesetzt.
Der Boom, den die jüdische Sportbewegung erfährt, ist lediglich eine Scheinblüte. Eine schreckliche noch dazu, denn die Segregation von jüdischer und sonstiger Sportbewegung dient nur der Vorbereitung der Vernichtung der Juden. Auch wenn einige sporttreibende Juden glauben, mit den Nürnberger Rassegesetzen einerseits und der Gewährung eines »getthoisierten Sports« anderseits sei die »Judenfrage« geklärt. Juden dürfen leben, arbeiten und Sport treiben – aber nur noch getrennt von der Rest-Gesellschaft.
1933 ist in München der jüdische Verein Bar Kochba München verboten worden, hat sich aber Anfang 1934 als Jüdischer Turn- und Sportverein München (JTUS) neugegründet. JTUS nimmt einen raschen Aufschwung und bestreitet
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