Der FC Bayern und seine Juden
weiteres Fünfmark- Stück überreicht – mit den besten Grüßen von Walther Bensemann, der entgegen seiner ursprünglichen Absicht doch noch einmal gewettet und gegen den Politiker erneut verloren hatte. Nur neun Monate nach dem feucht-fröhlichen Abend im Löwenbräu-keller werden alle drei nicht mehr im Amt sein: der Oberbürgermeister nicht, der Bayern-Präsident nicht und auch der »Kicker«-Herausgeber nicht mehr.
Nachwehen
Zu einem Zeitpunkt, an dem die Weimarer Republik bereits kollabiert, erringt der FC Bayern mit einem jüdischen Präsidenten, einem jüdischen Trainer und einem jüdischen Jugendfunktionär seine erste Deutsche Meisterschaft. Ein Ereignis, das gegen den Strom der Zeit steht – in Deutschland wie in München.
Die Vertreibung der Juden aus dem deutschen Fußball beginnt bereits wenige Wochen nach dem Finale von Nürnberg. Anfang August 1932, gut zwei Monate nach der Halbfinalniederlage gegen den FC Bayern, holt Julius Streichers Zeitung »Der Stürmer« zum Generalangriff auf den »verjudeten« 1. FC Nürnberg und seinen jüdischen Trainer aus. Das in der Franken-Metropole erscheinende Nazi-Hetzblatt schlagzeilt: »Der 1. Fußballklub Nürnberg geht am Juden zugrunde.« Weiter heißt es: »Es geht mit dem verjudeten Klub bergab. Sein Name verliert den berühmten und guten Klang. Die Zuschauer werden weniger und weniger. Der Ruf der Stadt Nürnberg als Sporthochburg ist gefährdet. Und das alles um der Juden willen.« Der durch »jüdische und sonstige Gazetten hochgepriesene Jude Konrad« besäße »nicht das Können, um den Klub ins Ziel zu bringen«. Ohnehin sei »ein Jude (…) als wahrer Sportsmann nicht denkbar. Er ist nicht dazu gebaut, mit seiner abnormen und missratenen Gestalt. (…) Vor zweieinhalb Jahren nahm er (der Verein, Anm. d.A.) sich den Ostjuden Konrad als Lehrmeister für die erste Mannschaft. Er zahlte ihm 800 Mark monatlich und wollte unter ihm die sechste Deutsche Meisterschaft heimholen. Voriges Jahr und heuer erlebten wir aber eine große Pleite. (…) Konrad kann wohl sein Riesengehalt einstecken, aber den Klub zum Siege führen, das bringt der Jude nicht fertig.« Der Artikel mündet in einer unmissverständlichen Aufforderung: »Klub! Besinne Dich und wache auf. Jag Deine Bar-Kochba- und Tennisjuden zum Teufel. Gib Deinem Trainer eine Fahrkarte nach Jerusalem. Werde wieder deutsch, dann wirst du wieder gesund!«
Am Abend des 5. August 1932 wird Konrád vom »Club« verabschiedet. Wenige Stunden später packt Jenö Konrád seine Koffer und verlässt mit Frau Grete und seiner dreieinhalbjährigen Tochter Evelyn die Stadt.
»Der Stürmer« triumphiert in seiner nächsten Ausgabe: »Jud Konrad ist abgedampft. (…) Der ›Club‹ hat entgegen den vertraglichen Abmachungen den Abzug des beschnittenen ›Trainers‹« genehmigt und sei »anscheinend froh, den Fremdrassigen so schnell und glimpflich wegzubekommen«.
Dem war mitnichten so. So schreibt die »Vereinszeitung«: »Die Bemühungen der Vereinsleitung, ihn zum Bleiben zu bewegen, sind ohne Erfolg gewesen.« »Club«-Legende und Ex-Nationalspieler Hans Kalb, Tennis-Partner Konráds und enger Freund der Familie, rät dem Trainer vergebens, nicht auf »das Bellen des Gesindels« zu hören. Für Vereinsvize Karl Müller ist einem »untadeligen Menschen (…) bitteres Unrecht« angetan worden, »an dem der Verein kein Teil hat«.
In der Saison 1932/33 wird Jenö Konrád mit dem rumänischen Klub Ripensia Timisoara die Landesmeisterschaft gewinnen. Nach Deutschland wird er nie wieder zurückkehren.
Kapitel 7
Neuordnung in Politik und Fußball
18.000 Zuschauer sehen am 12. März 1933 das Derby zwischen dem FC Bayern und dem TSV 1860, angesichts der Spielstärke beider Mannschaften eine absolute Spitzenbegegnung in der Gruppe Ostwest der Süddeutschen Meisterschaft. Nach dem Schlusspfiff begleitet tosender Beifall die Teams in die Kabinen. Hans Welker hat die Bayern in Führung geschossen, aber am Ende gewinnen die »Löwen« mit 2:1. Es ist bereits der zweite Sieg des TSV 1860 über den amtierenden Deutschen Meister binnen vier Wochen, denn auch das Hinspiel ging an die »Löwen«.
Ungleich mehr Menschen, nämlich 150.000, strömen am selben Tag aufs Oberwiesenfeld. Dort empfangen sie nicht weniger begeistert ein Flugzeug, mit dem der neue Reichskanzler zum Besuch in seine politische Hochburg München kommt. Sein Name: Adolf Hitler.
Der »Führer« war am 30. Januar 1933 von Reichspräsident Hindenburg
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