Der FC Bayern und seine Juden
auch Bayern-Präsident Kurt Landauer durch die neuen politischen Verhältnisse zum Rücktritt genötigt. Für Dr. Bruno Malitz, den fanatischen Sportreferenten der SA, sind jüdische Sportfunktionäre wie Landauer »schlimmer als die Cholera, die Lungenpest, die Syphilis (…), schlimmer als Feuersbrunst, Hungersnot, Deichbruch, große Dürre, schlimmste Heuschreckenplage, Giftgas«. Offiziell heißt es bei den Bayern, Landauer habe sein Amt »mit Rücksicht auf die staatspolitische Neugestaltung der Verhältnisse in Deutschland« abgegeben. Vor allem aber handelt Landauer wohl mit Rücksicht auf den FC Bayern und sich selbst. So verhindert er, dass der Klub gezwungen wird, ihn offiziell abzusetzen. Und erspart sich selbst die damit verbundene Demütigung. Ähnlich verhalten sich zu diesem Zeitpunkt viele jüdische Fußballfunktionäre. Auch Otto Albert Beer, einer der Baumeister der überaus erfolgreichen Jugendabteilung beim FC Bayern, zieht sich zurück.
Vielleicht glaubt Landauer wie viele andere Juden, dass die nationalsozialistische Machtübernahme nur ein vorübergehender Spuk bleibt. Dies bestätigt auch Hans Schiefele, der spätere Vize-Präsident des Klubs. Schiefele 2003 gegenüber den Journalisten Dirk Bitzer und Bernd Wilting: »Der hat einfach nicht glauben können, was da passiert. Er hatte so viel für Deutschland und den deutschen Fußball getan. Er war ja ein anerkannter, angesehener Mann. DFB-Präsident hätte er werden können. Und wahrscheinlich fühlte er sich dem FC Bayern immer noch viel zu sehr verbunden.« Landauer bleibt dem Klub noch einige Zeit erhalten, wenn auch nicht mehr in offizieller Funktion.
Seit dem 1. September 1930 ist Landauer als Abteilungsleiter der Anzeigenverwaltung des Verlags Knorr & Hirth beschäftigt, Herausgeber der »Münchner Neuesten Nachrichten«. Im Zuge der Arisierung des Betriebs wird Landauer am 30. April 1933 unter Fortzahlung der Gehaltsbezüge auf zwei Monate fristlos entlassen. Kurze Zeit später kommt er bei der Wäschefirma Rosa Klauber unter, die einer jüdischen Familie gehört. Als Abteilungsleiter von Knorr & Hirth hat Landauer noch ein monatliches Gehalt von 550 RM bezogen, nun muss er sich mit 225 RM begnügen.
Einen Tag nach Landauers Rücktritt, am 23. März 1933, verabschiedet der Reichstag das Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich, kurz »Ermächtigungsgesetz«, das nun gemeinsam mit der »Reichstagsbrandverordnung« die juristische Hauptgrundlage der NS-Diktatur bildet. Der »Totenschein für die Weimarer Republik« (Ernst Pieper) erhält die Zustimmung aller bürgerlichen Abgeordneten, nur die Sozialdemokraten votieren dagegen. Die 81 Vertreter der KPD sind dazu nicht mehr in der Lage, da sie sich widerrechtlich in Haft oder auf der Flucht befinden, untergetaucht sind oder ermordet wurden.
Am selben Tag besetzen SA-Hundertschaften die Bundesschule des sozialdemokratischen ATSB in Leipzig. Die Konten des ATSB werden gesperrt, eine Reihe von Funktionären wird verhaftet, verhört und verprügelt.
Braune »Blaue«
Der TSV 1860 München ist für die neuen politischen Verhältnisse wesentlich besser aufgestellt als der FC Bayern. 1933 übernimmt im Turnverein der nationalkonservative Turnlehrer Wilhelm Hacker den Vorsitz. Turnverein und Sportverein werden am 13. März 1934 zum TSV 1860 wiedervereinigt. Dessen Vereinsvorsitzende sind nun Herren, die sich bereits der Hitler-Bewegung angeschlossen hatten, als diese noch eine Randerscheinung des politischen Spektrums war. Fritz Ebenböck (1934-35) war 1922 der NSDAP und der SA beigetreten. Seit 1921 gehörte er dem Freikorps Oberland an und nahm am 8./9. November 1923 am Hitler-Ludendorff-Putsch teil. Auch der SA-Sturmbannführer Dr. Ludwig Holzer (1935-36) war beim Marsch auf die Feldherrnhalle dabei. Ebenso Dr. Emil Ketterer, der den Verein anschließend bis zum Kriegsende führen wird. Ketterer ist seit 1923 Mitglied des Kampfbundes »Reichskriegsflagge« und der NSDAP, Mitbegründer des nationalsozialistischen Deutschen Ärztebundes München-Oberbayern, seit 1931 SA-Mitglied und Träger des goldenen Ehrenzeichens der Partei. Ab dem 26. April 1933 gehört Ketterer auch dem »gleichgeschalteten« Münchner Stadtrat an. Eberböck, Holzer und Ketterer sind »Blutordensträger«. Der »Blutorden«, die höchste Auszeichnung der Partei, wurde zunächst ausschließlich an überlebende Teilnehmer des Hitler-Ludendorff-Putsches verliehen.
Der SA-Obersturmführer Sebastian Gleixner, der 1941
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