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Der FC Bayern und seine Juden

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Titel: Der FC Bayern und seine Juden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietrich Schulze-Marmeling
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des von ihm bekämpften »Germanismus«. Allerdings wird Italiens »Judenpolitik« in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre eine einschneidende Veränderung erfahren.
    Begegnung mit Ernst Willimowski
    Zwischen den beiden Begegnungen mit der AS Rom gibt Ferencváros Budapest seine Visitenkarte in München ab und verliert 2:3 gegen die Bayern, für die erneut Oskar Rohr zweimal trifft. Nicht nur beim Budapester Lokalrivalen MTK, sondern auch bei den »grünen Adlern« haben einige Juden gespielt – so der spätere MTKler Gyula Feldmann, Alexander Neufeld und noch Anfang der 1920er Jahre Ernö Schwarz. Und auch unter den Funktionären des Klubs befindet sich eine Reihe von Juden. Ferencváros ist ein typischer Vorortverein. Seine Heimat ist die kleinbürgerlich und proletarisch geprägte »Franzstadt«, die zum Zeitpunkt der Klubgründung noch deutschsprachig war.
    Fortan nimmt für den FC Bayern die Zahl internationaler Begegnungen ab. 1933 kommt noch eine Auswahl Chile/Peru nach München und wird mit 2:1 besiegt, 1934 spielt man erneut gegen die Prager »Judenklubs« DFC (4:1) und Slavia (3:3).
    Im Dezember 1934 reisen die Bayern nach Polen. In Oberschlesien spielt und gewinnt man gegen Ruch Bismarckhütte (heute Ruch Chorzów) und Garbania Krakau. Garbania hatte 1931 die polnische Meisterschaft errungen, Ruch 1933 und 1934. Mitglied des 34er Meisterteams von Ruch ist der 18-jährige Ernst Willimowski, 1916 im oberschlesischen Kattowitz geboren, das seit 1922 zu Polen gehört. In den folgenden Jahren wird der Torjäger 22-mal für Polen spielen und dabei 21 Tore erzielen. So auch bei der WM 1938 in Frankreich, wo Willimowski einer von zwei Hauptdarstellern in einer der denkwürdigsten Begegnungen in der Geschichte des Weltturniers ist. Polen unterliegt Brasilien nach Verlängerung mit 5:6, Willimowski und der Brasilianer Leonidas schießen jeweils vier Tore.
    Nach dem Einmarsch der Deutschen in Polen wird Willimowski wieder deutscher Staatsbürger und bestreitet bis 1942 noch acht Länderspiele für Deutschland, in denen er 13-mal trifft. Bis heute ist Willimowski der einzige Spieler, der sowohl ein Tor gegen Deutschland (am 9. September 1934 beim 2:5 in Warschau) wie für Deutschland erzielte. Von 1942 bis 1944 wird er für den TSV 1860 auf Torejagd gehen. Mit Willimowski gewinnen die »Löwen« 1942 ihren ersten nationalen Titel, als sie im Finale des Vereinspokals Schalke 04 2:0 besiegen.
    Einen Tag vor Silvester 1934 erwidert Ruch den Besuch der Bayern. Vor den Augen von Oberbürgermeister Fiehler und des polnischen Konsuls gewinnt der Gast vor 10.000 Zuschauern an der Grünwalder Straße mit 1:0. Wie die Presse vermerkt, war die polnische Kolonie ebenfalls »außerordentlich stark vertreten«.
    1935 fahren die Bayern nach Budapest, wo man binnen zwei Tagen gegen Hungaria (wie MTK seit 1926 heißt) und Ferencváros antritt und jeweils verliert (1:4 bzw. 3:4).
    Wiedersehen mit »Ossi« Rohr
    1935 und 1936 spielt der FC Bayern gegen den Racing Club Strasbourg. Dabei kommt es am 23. Juni 1935 in München zu einem Wiedersehen mit Oskar Rohr. Zur Saison 1934/35 war Rohr von Zürich nach Straßburg gewechselt, wo sich beim Racing Club mehr Geld verdienen lässt. Seit 1933 wird in Frankreich in einer nationalen Liga auch offiziell Profifußball gespielt, und die Elsässer sind dabei. Rohr wurde der Wechsel ins Elsass mit einem Cabrio und einer großzügigen Wohnung versüßt. Auch sein Gehalt ist beachtlich. Rohr: »Mit 4.000 Mark Monatsverdienst während meines Gastspiels in Straßburg gehörte ich zu den absoluten Spitzenverdienern.« Als Rohr in Straßburg eintrifft, wird der Racing Club von Fritz Kerr trainiert, dem ehemaligen Trainer der Stuttgarter Kickers. Längst ist der aus Deutschland vertriebene Wiener Jude ein wegen seiner Fachkenntnisse und pädagogischen Fähigkeiten europaweit geschätzter Mann.
    Zur Saison 1935/36 wird Kerr in Straßburg von seinem Landsmann Josef »Pepi« Blum beerbt, mit 51 Einsätzen Rekordnationalspieler Österreichs und ehemals Kapitän des »Wunderteams« von Hugo Meisl. 1933 hat der Trainer Blum die Wiener Austria zum Gewinn des Mitropa-Cups geführt. In Straßburg bleibt er drei Spielzeiten, bis zum Sommer 1938, Rohrs Trainer.
    In Deutschland wird Rohr mittlerweile als »geldgieriger Vaterlandsverräter« geächtet. Die Zeitschrift »Fußball« nennt ihn einen »Gladiator, der sich im Ausland verkauft«. 1940 schmäht man den ehemaligen Bayern-Star in einem »Kicker«-Buch mit den

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