Der FC Bayern und seine Juden
die staatlichen Stellen zu seiner Einführung keine Zustimmung gaben«.
Davon konnte überhaupt keine Rede sein. Zwar kommt Linnemann und Co. entgegen, dass auch Teilen der Nazis der »amerikanisierte« Profisport zuwider ist. Doch auch wenn später eine Reihe von Giftpfeilen in Richtung eines angeblich »jüdischen« Professionalismus abgefeuert werden, steht die NS-Führung dem Profisport keineswegs per se ablehnend gegenüber. Im Rad- und Motorsport oder im Boxen kann das Profitum nach 1933 unbehelligt weiterexistieren.
Tatsächlich ist die strikte Festschreibung des Amateurprinzips allein der DFB-Führung um Felix Linnemann zuzuschreiben. Ein Beispiel dafür, dass nicht nur Regime Sportverbände instrumentalisieren, sondern manchmal auch Sportverbände Regime. Der Historiker Per Leo: »Plausibler ist die Annahme, dass es sich hierbei nicht um die Wiedergabe eines politischen Befehls handelte, sondern um eine nach innen wie außen kommunizierte Legitimationsformel der DFB-Führung.« Sein Kollege Rudolf Oswald geht noch weiter: »Die Debatte um das Profiprojekt zeigt, dass bei der Durchsetzung der Amateuridee auf das NS-Regime kein Verlass war. Auch die DFB-Spitze kam um diese Erkenntnis nicht herum. Anstatt die neue Sportführung zum aktiven Kampf gegen die Professionalisierungstendenzen zu bewegen, griff Linnemann deshalb selbst nach den Machtinstrumenten des Dritten Reiches, eine Taktik, die es zunächst erforderte, sich anzudienen.« Wie wir noch sehen werden, wird die strikte Absage an den Professionalismus dem FC Bayern arge Probleme bereiten.
Gründung der Gauliga
1933 ist Deutschland unter den relevanteren Fußballnationen Europas die einzige (!), die über keine landesweite Liga verfügt. Denn eine nationale Liga ist ohne die Legalisierung des Professionalismus nicht möglich. Allein schon die weiten Fahrten, die die Teams zurückzulegen hätten, kosten Zeit und Geld. Die Folge war bisher ein kleingliederiges und unübersichtliches Ligawesen. So durften sich bis 1933 über 500 Vereine als »erstklassig« bezeichnen. In der Saison 1923/24 beispielsweise bewarben sich streng betrachtet 559 Teams um den Titel des Deutschen Meisters.
Viele Spitzenvereine fanden in ihren Ligen kaum ernstzunehmende Gegner. Erst ab den regionalen Endrunden, die der Endrunde zur Deutschen Meisterschaft vorgeschaltet waren, wurden sie gefordert – auch eine Erklärung dafür, warum die deutsche Nationalelf nicht reüssieren konnte. Spätestens nach zwei hohen Niederlagen gegen Österreichs »Wunderteam« 1931 war klar, dass man gegen eingespielte Profiteams keine Chance besaß.
Die Lösung besteht nun in der Einführung von zunächst 16 Gauligen. Deutschland bekommt immer noch keine nationale Liga, erhält aber erstmals eine einheitlich strukturierte oberste Spielklasse. Außerdem wird die Zahl der Erstligisten drastisch auf zunächst 133 reduziert.
Die Gauliga ist ein Kompromiss, der ein ideologisches Festhalten am Amateurdogma gestattet. Per Leo: »Die Spieler gingen zwar weiter einem Beruf nach, wurden aber durch den reduzierten Ligabetrieb und eine Reihe von Privilegien entlastet und ihre Leistungsstärke durch den systematischen Ausbildungsaufwand des DFB deutlich verbessert. (…) Da die Einführung einer nationalen Berufsfußballliga aufgrund des Amateurdogmas möglichst lange verhindert werden sollte, sah man beim DFB den Schlüssel zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit in einem breit angelegten, zentral gesteuerten Ausbildungssystem.«
Der deutsche Klubfußball hinkt damit den Verhältnissen in anderen europäischen Ländern allerdings weiter hinterher. Nicht aber die Nationalelf, die nun eine überragende Bedeutung erhält und durch diesen Kurs gestärkt wird. Per Leo: »Die alte und neue Leitung des bald in ›Fachsäule II des Nationalsozialistischen Reichsbundes für Leibesübungen‹ umbenannten DFB fand in der Leistungssteigerung ihrer Auswahlmannschaften ein Ziel, auf das hin sie den gesamten Spiel-und Ausbildungsbetrieb konzentrieren konnte. Der stark angewachsene Trainerstab im Reich und den Gauen war mit der herausfordernden Aufgabe betraut, aus Amateuren Weltklassespieler zu formen, und er besaß genügend Mittel und Vollmachten zu deren Entfaltung.«
Die Zahl der Länderspiele steigt von jährlich durchschnittlich fünf im Zeitraum 1920-32 auf mehr als zehn in den Jahren 1933-42. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bzw. im Zeitraum 1950-63 wird sie zunächst wieder auf knapp sieben pro Jahr
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