Der FC Bayern und seine Juden
sinken – trotz dreier WM-Teilnahmen.
Beim FC Bayern stößt die Zunahme von Auswahl- und Verbandsspielen auf Ablehnung: »Man hatte seine Spieler nun mehr für die verschiedenen Verbände vom DFV herunter bis zum Gau und Kreis, für die Partei, für Winterhilfe etc. abzustellen. Die diesem System und seiner Gnade und Ungnade ausgelieferten Vereine mussten dabei finanziell ins Hintertreffen geraten. Die Verbände aber überboten sich förmlich mit solchen Spielansätzen, um vor allem sich gleich nach oben hin recht lieb Kind zu machen.« (»50 Jahre FC Bayern«). Allein im Spieljahr 1933/34 hätte der FC Bayern für elf repräsentative Veranstaltungen der Verbandsbehörden und der Partei 45 Spieler abstellen müssen. Für den Klub bedeutete dies den Ausfall von zehn Spielsonntagen.
Profi Oskar Rohr
Auf Oskar Rohr muss der Reichstrainer Dr. Otto Nerz allerdings verzichten. Das Länderspiel vom 19. März 1933 gegen Frankreich bleibt sein letzter Auftritt im Nationaltrikot. »Mit diesem jungen Mann steht und fällt das Spiel«, hatte im »Kicker« anschließend Walther Bensemann in einem seiner letzten Beiträge geschrieben und damit die überragende Bedeutung des Bayern-Spielers unterstrichen.
Doch der Torjäger will Deutschland verlassen. Nicht wegen der politischen Zustände, sondern weil er Profi werden will, was aber im nationalsozialistischen Deutschland mit seinem Fußballführer Felix Linnemann auf Jahre hinaus nicht möglich sein wird. So sind auch beim FC Bayern Rohrs Tage gezählt.
In die neue Gauliga sind die Bayern mit einem 3:1-Sieg über den 1. FC München gestartet. Einmal Krumm, zweimal Rohr heißen die Torschützen. Oskar Rohrs Treffer in der 85. Minute wird sein letzter für den FC Bayern sein. Am 1. Oktober 1933 trägt er zum letzten Mal das Bayern-Trikot. Es ist der vierte Gauliga-Spieltag, die SpVgg Fürth gastiert an der Grünwalder Straße und entführt mit einem 3:1-Sieg die Punkte.
Rohr geht wie sein Ziehvater Dombi zunächst in die Schweiz, wo er beim Grasshopper-Club Zürich anheuert, gegen den die Bayern in der Vergangenheit einige Freundschaftsspiele bestritten haben. Mit den Grasshoppers und dem Ex-Bayern-Trainer Izidor »Dori« Kürschner gewinnt er 1934 den Schweizer Pokal, aber so richtig Geld verdienen kann man mit dem Fußball bei den Eidgenossen nicht. Nach nur einem Jahr wird er nach Frankreich weiterziehen.
Der Deutsche Meister von 1932, inzwischen vom Sportlehrer und langjährigen Bayern-Aktivisten Hans Tauchert trainiert, beendet derweil seine erste Gauliga-Saison auf Platz drei, sieben Punkte hinter dem Meister 1. FC Nürnberg und sechs Punkte hinter dem TSV 1860. In den neun Spielzeiten, in dem die Gauliga Bayern eingleisig organisiert ist und das gesamte Bayernland abdeckt, wird der FC Bayern nie besser abschneiden.
Kapitel 8
Kicken unterm Hakenkreuz
Im Jahr der nationalsozialistischen Machtübernahme spielt der FC Bayern noch drei hochkarätige internationale Begegnungen, zwei davon gegen die AS Rom. In der italienischen Hauptstadt unterliegen die Bayern am 15. Juni 1933 der Roma mit 3:4. Zwei Wochen danach kommen die Italiener zum Rückspiel an die Grünwalder Straße. Vor 14.000 Zuschauern gewinnen die Bayern mit 3:1, zwei Tore erzielt Oskar Rohr, der München bald verlassen wird.
In Italien herrschen schon seit 1922 Benito Mussolini und seine Faschisten. Doch noch ist es möglich, dass Bayerns Gästen, der AS Rom, seit sechs Jahren ein jüdischer Präsident vorsteht, der Bankier Renato Sacerdoti.
Die Assoziazione Sportiva Roma ist 1927 aus der Fusion der drei Hauptstadtvereine Alba Audace, Roman und Fortitudo Pro Roma hervorgegangen; nur Lazio konnte sich dem Zusammenschluss entziehen. Die Fusion ist eine Antwort auf die Dominanz der norditalienischen Vereine. Heimat der Roma ist das an der Ostseite des Tiber gelegene Arbeiter- und Schlachthofviertel Testaccio. 1929 entsteht dort auf Betreiben von AS-Präsident Sacerdoti, vom Volksmund »der Bankier von Testaccio« getauft, ein eigenes Stadion. Der Campo Testaccio bleibt bis 1940 Heimat der AS Rom.
Mussolinis totalitäre Politik lässt auch den Fußball nicht unberührt. Aber anders als die deutschen Gesinnungsbrüder wird der italienische Faschismus nicht von einem rassistischen Wunsch nach der Vernichtung der Juden getrieben. Ein Teil der italienischen Juden sympathisiert eine Zeit lang sogar mit Mussolini. Der »Duce« sieht in Hitlers rassistisch-biologistischem Antisemitismus zunächst eine Wiederkehr
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