Der FC Bayern und seine Juden
Sacerdoti wird der Mithilfe beschuldigt – wohl auch, weil der Bankier Jude ist.
Im Zeitraum von Januar 1933 bis zu den Olympischen Sommerspielen 1936 in Berlin bestritt der FC Bayern noch 17 internationale Begegnungen. Anschließend nahm die Zahl der internationalen Spiele deutlich ab. Da die Spiele gegen österreichische Teams nach dem »Anschluss« vom März 1938 nicht als »international« gewertet werden können (über die Hälfte dieser Begegnungen waren Pflichtspiele im deutschen Vereinspokal oder Spiele im Rahmen des »Alpenpokals«), kommt man für den Zeitraum von Sommer 1936 bis April 1945 nur noch auf acht internationale Kräftemessen. Im Österreich vor dem »Anschluss« trat man dreimal an (1937), die einst beim FC Bayern so populäre Schweiz wurde nur noch zweimal bereist (1937 und 1943), die Slowakei, ein lediglich formal selbstständiger Satellitenstaat Nazi-Deutschlands, einmal. Daheim spielte man nur zweimal gegen ausländische Teams: 1937 gegen die Young Fellows Zürich und 1939, wie berichtet, gegen die AS Rom aus dem verbündeten faschistischen Italien.
Mit den Nazis in die Krise
Der erste nationale Titelgewinn des heutigen Rekordmeisters im Jahr 1932 markiert nicht den Beginn einer »Bayern-Ära« im deutschen Fußball. Vielmehr erlebt die Meistermannschaft einen sportlichen Absturz, der in erster Linie den politischen Verhältnissen geschuldet ist.
Vor allem eines scheint dem Verein Probleme zu bereiten: die Re-Amateurisierung des deutschen Spitzenfußballs, der vor Beginn der Nazi-Herrschaft auf dem Sprung zum Professionalismus schien. Zumindest heißt es in der »Fußball-Woche«: »Nicht überall ist die Umstellung vom Spesen-Amateur auf den ›bargeldlosen‹ Amateur von heute auf morgen ohne Verluste möglich gewesen. Besonders schwer scheint es in dieser Hinsicht Bayern München gehabt zu haben. Wie anders sollte man es deuten, wenn Hans Tusch, ein alter Bayern-Freund, im Münchener ›Sport-Telegraf‹ in einem größeren Artikel von einem Umlagerungsprozess der Spielstärke spricht, der bei Bayern am krassesten zum Ausdruck komme, und wenn in diesem Aufsatz mit deutlicher Bezugnahme auf die Rothosen von Verfallserscheinungen geschrieben wird. (…) Wenn man das liest, dann darf man wohl die Folgerung ziehen, dass es bei Bayern im Gegensatz zum Lokalrivalen 1860 beträchtliche Schwierigkeiten bei der Umstellung auf das neue Amateurgesetz geben wird.«
Im deutschen Fußball beginnt die Ära der »Arbeitervereine« in den industriellen Ballungszentren. Kohle und Stahl sind für die Kriegspläne der Nazis von großer Bedeutung, und von der Ausweitung der schwerindustriellen Produktion profitiert auch der Fußball. Betriebe helfen beim Bau von Stadien. Professionelle Trainer werden engagiert, die als »Betriebssportlehrer« auf der Lohnliste des Betriebs stehen. Spieler erhalten »leichtere Arbeit«, was z.B. für den Bergbau heißt, dass sie nicht unter Tage müssen, sondern im Büro oder in Lehrwerkstätten eingesetzt werden. Und steht ein wichtiges Spiel an, darf man den Arbeitsplatz auch schon mal früher verlassen. Nach Ausbruch des Krieges kommt als zusätzliches Privileg die »uk«-Stellung hinzu, also »unabkömmlich« am Arbeitsplatz und damit freigestellt vom Kriegsdienst.
Viele bürgerliche Vereine können da nicht mithalten. Nicht zufällig gewinnen Mannschaften aus dem schwerindustriellen Ruhrgebiet im Zeitraum von 1933/34 bis zur Einführung der Bundesliga 1963 von 27 deutschen Meistertiteln elf. Von den bürgerlichen, eher kaufmännisch geprägten Vereinen rutschen viele ins sportliche Mittelmaß oder in die Bedeutungslosigkeit ab.
Beim FC Bayern kommt hinzu, dass seine engagierte Jugendarbeit, das Aushängeschild des Klubs und die Basis seines Aufstiegs an die nationale Spitze, vom NS-Regime beeinträchtigt wird. »Wer die Jugend hat, hat die Zukunft«, lautete bisher das Motto der Nachwuchspolitik des Klubs, aber diese Jugend wird den Bayern nun vom Regime geraubt. Im Juli 1936 wird mit einem Dekret der Gau-Behörde die Juniorenklasse aufgehoben, um alle Hemmnisse, die dem »freiwilligen Arbeitsdienst« bis dahin entgegenstanden, aus dem Weg zu räumen.
Im selben Jahr schließen der Reichsbund für Leibesübung und die Hitler-Jugend (HJ) einen Vertrag ab, demzufolge »alle Jugendlichen unter 14 Jahren aus den Sportvereinen sofort ausgegliedert werden« (»50 Jahre FC Bayern«). Formell bedeutet dies die Auflösung der Schülerabteilung des FC Bayern ab 1. Dezember
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