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Der FC Bayern und seine Juden

Der FC Bayern und seine Juden

Titel: Der FC Bayern und seine Juden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietrich Schulze-Marmeling
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nationalsozialistischen Gewalttaten und antisemitischen Vorfällen in Verbindung gebracht – nirgendwo mehr für größere Aufregung. Seit Italien waren sie, zumindest unter Fußballfans, als Symbole des ›neuen Deutschlands‹ akzeptiert und zehrten vom sauberen und disziplinierten Image der Sportler.« (Hardy Grüne) Erheblichen diplomatischen Wirbel verursacht allerdings ein Gastspiel der deutschen Nationalelf im Dezember
    1935 in London, an dem vom FC Bayern Sigmund Haringer und Ludwig Goldbrunner teilnehmen.
    Die englische Football Association (FA) will die Deutschen ausgerechnet im White-Hart-Lane-Stadion der Tottenham Hotspurs empfangen, letzter ausländischer Gast des FC Bayern vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Unter den Anhängern des Klubs aus dem Norden der britischen Hauptstadt befinden sich zahlreiche Juden. Noch heute erfreuen sich die Spurs einer großen jüdischen Anhängerschaft. Viele ihrer Fans – Juden wie Nicht-Juden – nennt sich »Yids«, und seit 1982 wird der Klub mit Irving Scholar, Alan Sugar und Daniel Levy von jüdischen Geschäftsleuten geführt.
    »Jews Up In Arms«, titelt das Boulevardblatt »Star« nach Bekanntwerden der Spielstätte. Gewerkschaften und antifaschistische Organisationen protestieren. »Die Juden sind seit der Gründung des Klubs seine besten Unterstützer. Wir betrachten den Besuch des deutschen Teams als Affront – nicht nur gegen die jüdische Rasse, sondern gegen alle freiheitsliebenden Menschen«, zitiert der »Star« die Organisatoren des Protests. Ende Oktober findet in London eine Großdemonstration gegen Nazi-Deutschland statt, auf der Rufe laut werden, das Länderspiel abzusagen bzw. die Deutschen auszuladen. Auch der Gewerkschaftsbund TUC schließt sich dieser Forderung an.
    Im Londoner Norden werden Flugblätter verteilt, die von einem Spiel zwischen einem deutschen und einem polnischen Team im schlesischen Ratibor (heute: Racibórz) berichten. Ein jüdischer Spieler der Polen sei von deutschen Fans mit Steinen beworfen worden. Die Fans seien schließlich aufs Spielfeld gerannt und hätten den Spieler so brutal attackiert, dass dieser auf dem Weg ins Krankenhaus verstorben sei. Die Geschichte wird von vielen Zeitungen aufgegriffen. Der deutsche Verband bestreitet den Vorfall kategorisch. FA-Sekretär Stanley Rous, ein ehemaliger internationaler Schiedsrichter, springt den Deutschen zur Seite. Er habe sieben Spiele mit deutschen Akteuren geleitet und habe diese dabei als »sportliche« und »durch und durch disziplinierte Fußballer« schätzen gelernt. Währenddessen hetzt der »Völkische Beobachter« gegen Juden, die Tottenham Hotspur bedrängen würden, White Hart Lane als Austragungsstätte die Freigabe zu verweigern.
    Weder die britische Regierung noch die FA möchten die Begegnung absagen, wenngleich dem Innenministerium bei der Aussicht auf eine Invasion von 10.000 deutschen Fans mulmig zumute ist. Innenminister Sir John Simon bestellt den deutschen Botschafter ein, der ihm garantiert, dass die deutschen Fans jegliche politische Provokation, wie etwa das Absingen von Nazi-Liedern oder das Zeigen der Hakenkreuzfahne, unterlassen würden. Einige Tage später signalisiert Hitler den Briten, dass er eine Absage akzeptieren würde, aber die britische Regierung will das Spiel durchziehen.
    Allen Protesten zum Trotz wird die Begegnung am 4. Dezember 1935 tatsächlich angepfiffen. Aus Deutschland schafft die NS-Organisation »Kraft durch Freude« 10.000 bis 12.000 Fans auf die britische Insel. 1.600 davon sind von Bremerhaven aus mit einem eigens für das Länderspiel gecharterten Schiff namens »Columbus« aufgebrochen.
    Im »Kicker« schreibt ein freudig erregter Fußballfunktionär Hans Hädicke: »Während des Krieges fuhren unsere Kriegsschiffe und Zeppeline nach England, um sich mit dem gefürchtesten und zähesten unserer Gegner zu messen, diesmal fährt einer der großen Ozeanriesen der deutschen Handelsflotte mit friedlichen Fußballspielern und ihrem Anhang nach England, um sich mit den immer noch an erster Stelle stehenden Vertretern und Vätern des Weltfußballs zu messen.
    (…) Die Englandfahrt des Deutschen Fußball-Bundes ist von demselben Zauber umwoben wie die Fahrt der deutschen Kriegsschiffe auf und unter Wasser und in der Luft im Weltkrieg.«
    Dass Haringer, Goldbrunner und Co. diesen kriegserotischen Schwachsinn teilten, ist unwahrscheinlich. Vielmehr beeilen sich die deutschen Spieler nach ihrer Ankunft auf dem Flughafen Croyden

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