Der FC Bayern und seine Juden
Anwesenheit des Führers die Nerven geflattert, ließ Simetsreiter für sich nicht gelten: »Das muss man doch ertragen können, wenn so ein Hitler auf der Tribüne sitzt und winkt.«
Halvorsens Norweger holen anschließend Bronze, bis heute der größte Erfolg des skandinavischen Landes im internationalen Fußball (bei den Männern…). Ihrem Trainer werden die Deutschen im Weltkrieg wiederbegegnen. Asbjørn Halvorsen widersetzt sich nach der deutschen Besatzung Norwegens einer Neuordnung des norwegischen Sports und wird am 5. August 1942 wegen der Verbreitung illegaler Schriften verhaftet. Vom August 1943 bis April 1945 ist der ehemalige Fußballstar in deutschen KZs inhaftiert. Halvorsen überlebt den Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg und kehrt nach Norwegen zurück, wo er 1955 im Alter von nur 56 Jahren stirbt – wohl auch als Folge seiner KZ-Haft.
Star der Olympischen Spiele 1936 ist der schwarze US-Amerikaner James Cleveland »Jesse« Owens, der als erster Leichtathlet vier Goldmedaillen gewinnt. Ein Affront gegen den nationalsozialistischen Wahn von der Überlegenheit der »arischen Rasse«. Wilhelm Simetsreiter freundet sich mit Owens an und lässt sich mit dem schwarzen Star ablichten. Anschließend vervielfältigt er das Foto tausendfach und benutzt es bis zu seinem Tode im Jahre 2001 als Autogrammkarte.
Zwar wird Simetsreiter Mitglied im Nationalsozialistischen Kraftfahrerkorps (NSKK) und spielt auch in dessen Auswahl. Für Mitspieler Herbert Moll war dies aber das »Harmloseste, was einen zu dieser Zeit treffen konnte. Da sind viele Fußballer dazugegangen.« Vermutlich war die Stimmung so, dass sich die Bayern-Spieler irgendeiner Parteigliederung anschließen mussten. Und das NSKK erschien wohl vielen noch als unpolitischste und »sportlich attraktivste« Option.
Groß, aber schwach
Auch wenn der FC Bayern nicht mehr zu den deutschen Top-Teams zählt, gehören Bayern-Spieler weiterhin zum Kreis der Nationalmannschaft. Das gilt auch, als nach dem »Anschluss« Österreichs Reichstrainer Herberger eine Reihe von Wiener Kickern in die Auswahlelf einbaut. Bei der WM 1938 muss er seine »großdeutsche« Mannschaft auf Geheiß des Reichssportführers sogar nach einer unsäglichen »6 plus 5«-Formel aufstellen. Ob die Mannschaft nun mit sechs Österreichern und fünf »Altreichern« oder mit sechs »Altreichern« und fünf Österreichern aufläuft, ist dabei egal. Die Fusion aus den spielfreudigen Neu-Bürgern des Reiches, die noch kurz zuvor Profis gewesen waren, mit den von ihnen als Leichtathleten und Kraftsportlern belächelten Deutschen kann nicht gelingen. Zumal die beiden Nationalmannschaften bis dahin unterschiedliche Systeme bevorzugten. Jede Mannschaft wäre vermutlich für sich besser gewesen. Dies galt vor allem für die Deutschen, die am 16. Mai 1937 in der Breslauer Schlesierkampfbahn vor einem begeisterten Publikum Dänemark mit 8:0 abgekanzelt hatten. Es war der bis dahin spielerisch beste Vortrag einer deutschen Nationalelf. Die beteiligten Kicker, zu denen auch Bayerns Ludwig Goldbrunner gehörte, gingen als »Breslau-Elf« in die Annalen ein.
Vom FC Bayern fahren der 21-jährige Jakob Streitle und der 30-jährige Routinier Ludwig Goldbrunner mit zur WM nach Frankreich. Goldbrunner ist nun der letzte Meister von 1932 im National-dress. Streitle wird von Herberger ohne Länderspielerfahrung nominiert. Mit Simetsreiter und Moll ist Streitle das letzte Produkt der vorzüglichen Nachwuchsarbeit des FC Bayern, bevor die Nazis dem Klub in die Parade fuhren.
In Paris scheitern Herbergers »Großdeutsche« bereits in der ersten Runde an der Schweiz. Die erste Begegnung mit den Eidgenossen endet nach 120 Minuten mit einem Remis (1:1), so dass sich beide Teams fünf Tage später noch einmal messen müssen. Beim ersten Spiel müssen Goldbrunner und Streitle noch zuschauen, aber anschließend verändert Herberger seine Mannschaft auf gleich sechs Positionen. Goldbrunner kommt für Hans Mock (Austria Wien), Streitle als Linksverteidiger für Willibald Schmaus (Vienna Wien). Der gesperrte Rapidler Hans Pesser wird zwar mit dem Austrianer Leopold Neumer durch einen anderen Wiener ersetzt, trotzdem hätte Herberger jetzt nur noch drei Österreicher in der Formation, was den Reichstrainer zu weiteren Veränderungen zwingt. Mit dem Ergebnis, dass die »Großdeutschen« gegen eine personell unveränderte Schweizer Mannschaft mit 2:4 unterliegen.
Bis zum bitteren Ende
Die WM 1942, die
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