Der FC Bayern und seine Juden
SA-Sturmbannführer Hermann Haldenwang. Im Klubsekretariat ist das Bildnis Schwarz’ unverzüglich durch ein Führerporträt zu ersetzten. Wie der Wiener Historiker Wolfgang Maderthaner berichtet, vollbringt Klubsekretär Egon Ulbrich eine »Großtat von Schweijk’scher Dimension: Er dreht das Bildnis einfach um und appliziert auf dessen Rückseite ein Hitlerbild, wo es genau in dieser Form bis Kriegsende verbleibt.«
Dr. Emanuel Schwarz emigriert zunächst mit Unterstützung des italienischen Verbandspräsidenten Giovanni Mauro nach Bologna. Um seiner katholischen Frau Leopoldine die Wohnung in der Wiener Wollzeile zu erhalten und seinen Sohn Franz zu schützen, lässt sich Schwarz im Juni 1940 scheiden.
Mit einer Bürgschaft des französischen FIFA-Präsidenten Jules Rimet in der Tasche gelangt Schwarz nach Frankreich – zunächst nach Paris, später nach Grenoble und in das westfranzösische Angoulême. Er verdingt sich als Sportmasseur. Kontakt zu seiner Familie hält er u.a. über den Rapidler Franz »Bimbo« Binder, der an der Westfront im Einsatz ist und gelegentlich nach Wien abgestellt wird. Schließlich wird Schwarz aufgegriffen und in eines der zahlreichen Internierungslager an der Kanalküste gebracht. Mit Hilfe des Lagerkommandanten (!) gelingt ihm die Flucht. Zu Fuß schlägt sich Schwarz bis Paris durch, wo er Kontakt mit dem Ex-Hakoah-Spieler Fritz Donnenfeld aufnimmt. Dieser besitzt eine Bar und arbeitet unter den Decknamen »Donny« und »Marquis« für die Resistance. Mit Glück überlebt Schwarz den Holocaust in Frankreich.
Dem Kapitän der Austria wie des österreichischen »Wunderteams«, Walter Nausch, bietet die Übergangsregierung in Wien das Amt des »Gautrainers« an – unter der Bedingung, dass er sich von seiner jüdische Frau Margot trenne, einer exzellenten Austria-Schwimmerin. Doch Nausch lehnt ab, entscheidet sich für seine Ehe und geht mit seiner Frau im November 1938 ins Schweizer Exil.
Gegen Austria Wien werden die Bayern 1941 im Tschammer-Pokal antreten und trotz Heimrechts mit 1:5 verlieren. Tor Nr. drei für die Wiener erzielt Karl Sesta. Der Verteidiger, einer der besten und modernsten seiner Zunft auf dem Kontinent, wird dreimal in die »reichsdeutsche Auswahl« berufen. Legendär sind aber vor allem die »mehr oder minder spektakulären Aktionen von Renitenz und Resistenz des überzeugten Antimilitaristen, seine Auseinandersetzungen mit dem ›Reichsführer‹ des Nazisports, Tschammer von Osten« (Wolfgang Maderthaner).
In den Jahren davor trifft der FC Bayern im Pokal auf drei andere Wiener Mannschaften und scheitert zweimal. 1939 kommt das »Aus« bereits in der Qualifikation. Allerdings ist der Gegner mit Rapid Wien der Cup-Verteidiger. Vor 15.000 Zuschauern im Münchner Dantestadion führen die Bayern zwar nach 49 Minuten durch Tore von Sebald und Simetsreiter mit 2:0, aber der Rest des Spiels gehört den Gästen. Rapid gewinnt mit 5:2, drei Tore gehen auf das Konto von Franz »Bimbo« Binder. Nach dem Spiel überreichen die Bayern Binder ein zerrissenes Tornetz, das der Goalgetter mit seinen Schüssen zerfetzt hat. Für Ernst Happel war Binder »der einzige Fußballer mit an’ Radar am Fuß«.
1940 erreicht der FC Bayern zwar nach 120 Minuten gegen Vienna Wien mit einem 1:0-Sieg die 1. Hauptrunde des Tschammer-Pokals, scheitert aber hier am Sportklub Wien, der an der Grünwalder Straße mit 1:0 die Oberhand behält. Im selben Jahr bekommen die Bayern in einem Freundschaftsspiel in Wien von Rapid ein halbes Dutzend Tore eingeschenkt, ohne selbst zu treffen.
Doch selbst wenn sie nicht auf Wiener Mannschaften treffen, ist für die Bayern im Pokal nichts zu holen: 1938 scheitern sie in Runde zwei am VfR Mannheim, 1942 am Luftwaffensportverein Fürstenfeldbruck (3:5), 1943 am BC Augsburg (0:3).
Haringer bei der WM 1934
Obwohl der FC Bayern in den NS-Jahren nicht mehr zur nationalen Spitze zählt, stellt er weiterhin einige Nationalspieler. Dabei handelt es sich um Spieler des Meisterteams von 1932 (Goldbrunner, Haringer) oder Produkte aus der Zeit, in der der Klub noch von politischen Interventionen ungestört seine Nachwuchsarbeit betreiben konnte (Moll, Simetsreiter, Streitle).
Im März 1934 gelingt dem DFB-Team von Reichstrainer Dr. Otto Nerz durch einen 9:1-Sieg in Luxemburg die Qualifikation zum WM-Turnier in Italien. Die deutschen »Amateurfußballer« absolvieren anschließend äußerst professionelle Vorbereitungen. Sechs Bundessportlehrer reisen
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