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Der FC Bayern und seine Juden

Der FC Bayern und seine Juden

Titel: Der FC Bayern und seine Juden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietrich Schulze-Marmeling
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durch das gesamte Reich, um aus 600.000 Fußballern 80 Kandidaten auszuwählen, die schließlich in zwei Sonderkursen von Reichstrainer Otto Nerz getestet werden. Hardy Grüne: »Großzügige Freistellungen seitens der Arbeitgeber bzw. ›Lösungen‹ beim Thema Lohnersatz hatten Dinge möglich gemacht, die vor dem 30. Januar unmöglich gewesen wären.« Den Abschluss der WM-Vorbereitung bilden Testspiele gegen die englischen Profis von Derby County.
    Vom FC Bayern fährt nur Sigi Haringer mit nach Italien. Der Münchner, der mit dem Fußballspielen bei der TG Maxvorstadt begonnen hatte, wurde von Richard Dombi vom torhungrigen Stürmer zu einem der besten Außenverteidiger Europas umgeschult. Er besitzt einen Stammplatz in der Nationalelf, beim WM-Turnier allerdings überzeugt er nicht. Im Zwischenrundenspiel gegen Schweden (2:1) hat Haringer einen schwarzen Tag und lässt sich von den schwedischen Außenstürmern Kroon und Keller wiederholt düpieren. Der »Kicker« kritisiert anschließend: »Herauslaufend machte Torwart Kreß eine Flanke unschädlich, und wenig später musste sogar Szepan dem Münchener Verteidiger zu Hilfe eilen.«
    Im Halbfinale unterliegt Deutschland den favorisierten Tschechoslowaken mit 1:3. Haringer wirkt gegen den starken Antonin Puč wiederholt indisponiert. Im »kleinen Finale« gegen (das seinerzeit noch selbstständige) Österreich verzichtet Reichstrainer Nerz auf den Münchner ebenso wie auf die etatmäßige Nr. 1, Willibald Kreß, den die heimische Presse zum Hauptschuldigen der Niederlage auserkoren hat. Statt Kreß steht der spätere Bayern-Keeper Hans Jakob zwischen den Pfosten.
    Seit den Debakeln von 1931 (0:6, 0:5) ist man gegen Österreichs »Wunderteam« nicht mehr angetreten. Im Vorfeld der WM war ein geplantes Freundschaftsspiel vom Österreichischen Fußball-Bund (ÖFB) abgesagt worden. Österreichs Regierung sah sich mit einer Bewegung konfrontiert, die vehement den Anschluss an das Deutsche Reich forderte und von Hitler unterstützt wurde. Aus Furcht vor deutschen Expansionsbestrebungen ersuchte Wien um Unterstützung in Rom. Im März 1934 unterzeichneten Österreich und Italien die »Römischen Protokolle«, in denen Österreich eine Beistandsgarantie erhielt.
    Während die Deutschen das Erreichen des »kleinen Finales« als großen Erfolg feiern und dem Spiel gegen die Österreicher entgegenfiebern, herrscht im Lager des Gegners eher Frust. Das zum Titelanwärter erkorene »Wunderteam« des jüdischen Verbandskapitäns Hugo Meisl hatte sein Halbfinale gegen Gastgeber Italien mit 0:1 verloren, auch bedingt durch eine katastrophale Vorstellung des schwedischen Referees Eklind. In Neapel besiegt Deutschland nun ein demoralisiertes und in die Jahre gekommenes »Wunderteam« mit 3:2. Auch weil sich Szepan und Co. nicht an die Vorgaben des Reichstrainers halten, einem frenetischen Anhänger des W-M-Systems, sondern Fußball spielen – mit Kombinationen auf engstem Raum. Der »Kicker« spricht anschließend stolz von einem »Triumph der deutschen Amateure über die österreichischen Profis«. Da sich neben Österreich auch die Finalteams aus Italien und Tschechoslowakei vornehmlich aus Profis rekrutieren, sieht sich Deutschland als »Amateur-Weltmeister«.
    Unter den Gästen der WM weilt auch der von Krankheit schwer gezeichnete Walther Bensemann. Deutsche Journalisten werden berichten, dass der Emigrant sie vor der faschistischen Gefahr warnt und angesichts des aggressiven italienischen Nationalismus mahnt, »dass der Sport und seine Leistung aus der Freiheit der Herzen kommen muss und nicht aus der schwelenden Glut der Italia-Schreier«. Wie Bernd-M. Beyer schreibt, bekundet Bensemann »auch in Briefen an deutsche Freunde (…) seine Ablehnung des Hitler-Regimes. Doch öffentliche Äußerungen von ihm sind nicht mehr bekannt.« Am 12. November
    1934 stirbt der deutsche Fußballpionier und Mitbegründer des Bayern-Vorläufers, der Fußballabteilung des MTV von 1879, in Montreux. Dort lebte er, unterstützt vom FIFA-Generalsekretär Ivo Schricker, zuletzt im Hause seines Freundes und Gönners Albert Mayer, Juwelier, Sportjournalist, zeitweise Bürgermeister von Montreux und Präsident des von Bensemann gegründeten Montreux Football Club sowie ab 1946 Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees.
    Zwei Bayern im White Hart Lane
    »Seit der WM 1934 sorgten Hakenkreuzfahnen und Hitlergruß – bis dato jenseits der Reichsgrenzen für gewöhnlich mit

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