Der FC Bayern und seine Juden
eigentlich Deutschland ausrichten sollte, wird wegen des Zweiten Weltkriegs und des Ausschlusses des designierten Gastgebers aus der FIFA abgesagt. Ihr letztes Länderspiel bestreitet die deutsche Nationalelf am 22. November 1942 in Bratislava gegen die seit 1939 formal unabhängige Slowakei, die de facto nur ein Satellitenstaat Nazi-Deutschlands ist. Vom FC Bayern ist niemand dabei, vom Pokalsieger TSV 1860 Ernst Willimowski. 12.000 sehen einen 5:2-Erfolg der Deutschen, statistisch der 100. Sieg der Nationalelf. Der 22-jährige Fritz Walter spürt einen »wachsenden Hass gegen das nationalsozialistische Deutschland, die 12.000 Zuschauer umgaben uns mit einer Mauer der Feindseligkeit.«
Ludwig Goldbrunner läuft letztmalig im Nationaltrikot am 20. Oktober 1940 in München auf. Deutschland besiegt Bulgarien mit 7:3. Anschließend wird der FC Bayern nur noch durch Jakob »Jakl« Streitle vertreten, aber auch nicht mehr lange. Am 9. März 1941 ist Streitle in Stuttgart gegen die Schweiz dabei (4:2), danach muss er zur Wehrmacht. Eine Weile ist Streitle Gastspieler beim Dürener Klub SC Borussia 1912 Freialdenhoven und gehört für kurze Zeit zur »Pariser Soldatenelf«, die nach der Besetzung Frankreichs gegründet wurde und für die auch der Fürther Nationalspieler Hans Fiederer sowie Fritz Walter kicken.
Bayerns letzter Nationalspieler vor dem Zusammenbruch des NS-Regimes wird auch Bayerns erster nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland sein.
Wie für die Nationalelf ist auch für den FC Bayern die letzte internationale Station Bratislava. Am 9. April 1944 trennen sich eine Armee-Elf der Slowakei und der FC Bayern in der slowakischen Metropole vor 5.000 Zuschauern mit 1:1. Bei den Bayern steht Rekordnationalkeeper Hans Jakob zwischen den Pfosten. Der Regensburger war während des Krieges nach München dienstverpflichtet worden und schloss sich dem FC Bayern an. Jakob: »Damit erfüllte sich ein langgehegter Wunsch.«
Daheim wird bis zum bitteren Ende gekickt. Das letzte Pflichtspiel wird am 2. April 1945 angepfiffen, als die Bayern in der 2. Runde der Qualifikation zum Tschammer-Pokal gegen die Bajuwaren München 0:1 verlieren. 20 Tage später, am 22. April, kommt es dann noch zu einem Freundschaftskick mit dem TSV 1860. An der Schlierseestraße gewinnt der FC Bayern 3:2.
Kapitel 9
Nazifizierung mit Widerständen
Den FC Bayern auf politische Linie zu bringen, erwies sich als eine zähe Angelegenheit. Zwar gab es auch beim FC Bayern schon vor 1933 überzeugte Nazis, doch die bildeten zunächst nur eine kleine Minderheit im Klub. Nationalsozialistische Gesinnung war insbesondere in der Skiabteilung stark vertreten, einem Sammelbecken der »Jungen und Unzufriedenen«. Dabei ging es nicht nur um Politik, sondern auch das Gewicht der Fußballer gegenüber den anderen Abteilungen im Klub. Laut Herbert Moll waren die Skifahrer »im Großen und Ganzen nach rechts ausgerichtet. Die waren schon immer Opposition im Verein. Warum? Weil bei Bayern immer bloß Fußball gezählt hat. Die haben immer Unruhe reingebracht.« Wie wir noch sehen werden, wird dieses Thema den Klub noch einmal in den frühen 1950er Jahren verfolgen.
Machtkämpfe
Als der FC Bayern 1950, nach dem Ende von Weltkrieg und nationalsozialistischer Diktatur, seinen 50. Geburtstag feiert, erscheint eine Festschrift, in der auch die jüngste Vergangenheit behandelt wird. Viele solcher Schriften jener Tage sind geprägt davon, die Vorgänge während der NS-Diktatur zu verharmlosen und zu relativieren. Beim FC Bayern ist dies insofern anders, als nach 1945 wieder die Landauer-Getreuen das Sagen im Verein haben und ihr Rückblick eher die Opferseite widerspiegelt. Daher kann der Bayern-Festschrift eine vergleichsweise hohe Glaubwürdigkeit und Offenheit attestiert werden.
Aber es ist auch das Werk einer »Jetzt-haben-wir-wieder-das-Sagen«-Fraktion, die nun wieder im Besitz der Definitionshoheit über den Klub ist. Wie alle Festschriften verfolgt auch diese den Zweck, den Klub in einem möglichst positiven Licht erscheinen zu lassen. Und die »wahren Bayern«, das sind die Landauer-Getreuen, die mit dem Nationalsozialismus nichts am Hut hatten.
Laut dieser Rückschau gab es 1933 einen klubinternen Machtkampf, der sich wie folgt gestaltet habe: Die nationalsozialistische Machtübernahme habe einen »ganz gewaltigen Eingriff in (das) innerste Gefüge« des FC Bayern bedeutet. »Die Parteipolitik und der wie Gift ausgestreute Rassenhass machte auch vor
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