Der FC Bayern und seine Juden
der sportlichen Kameradschaft nicht halt. Immer schon hatte man im Klub die Anschauung vertreten, dass jeder anständige Mensch, gleich welcher Rasse oder Religion, Platz beim Sport finden könne. Dieser Grundsatz verlor plötzlich durch Regierungsbefehl seine Berechtigung. (…) Es kamen die Rassengesetze und mit ihnen der Arierparagraf. Damit aber auch das Ausscheiden vieler (Hervorhebung d.A.) alter und treuer Bayern, die in unseren Reihen nichts anderes kannten, als gleich allen übrigen Mitgliedern am Aufbau des Klubs mitzuarbeiten, sich an seinen sportlichen Siegen und Erfolgen zu freuen und Rückschläge und Niederlagen mit tragen zu helfen. (…) Vor allem die Schiabteilung (entwickelte) eine große Aktivität, in ihr steckten vor allem starke national-sozialistische Kräfte. (…) Die Schiabteilung arbeitete gut; sie begann vor allem starken Einfluß auf die Clubgeschehnisse zu nehmen, stellte den ›Dietwart‹, also den zur nationalsozialistischen Umschulung Beauftragten, stellte den Vergnügungswart, den Leiter der Clubzeitung. Kein Wunder, daß sich diese Vereinsnachrichten mehr und mehr zu einem Publikationsorgan der Schiabteilung gestalteten.«
Der gesamte interne Vereinsbetrieb sei für einige Jahre durcheinandergeraten. »Viele Männer zogen sich von ihren Ämtern zurück. Andere witterten Morgenluft und glaubten im Trüben fischen zu können. Auch begannen gewisse Kräfte jetzt schon mit dem Wettlauf um die Gunst der neuen Herrscher im Staate. Die Leitung versuchte, sich dem Neuen wenigstens im Sport entgegenzustellen, aber schließlich waren die Ereignisse stärker als der Wille eines einzelnen.«
Fast scheint es so, als habe den Verein im Zuge der nationalsozialistischen Machtübernahme eine tiefe Spaltung erfasst. Auf der einen Seite die gegenüber den Nationalsozialisten eher distanzierten Fußballer, die durch Landauers Abgang an Stärke einbüßen; auf der anderen Seite die Skiabteilung und weitere Mitglieder, die durch die neuen Verhältnisse Oberwasser bekommen.
»Das waren alles gute Leute«
Der zum Zeitpunkt der nationalsozialistischen Machtübernahme 18-jährige Wilhelm »Schimmy« Simetsreiter berichtet später über das Schicksal der jüdischen Funktionsträger, Balltreter und einfachen Mitglieder beim FC Bayern: »Plötzlich waren die verschwunden. Das war schade für diese Leute, das waren alles gute Leute.« Über die Gründe ihres Verschwindens sei unter den Fußballern nie geredet worden, bloß über »Fußball und Mädels. Mei, wir waren jung.«
»Schimmy« Simetsreiters Kickerkarriere hatte im Hinterhof der Herzogstraße 26 in Schwabing begonnen, einer Parallelstraße zur Clemensstraße, wo Bayerns erster eigener Platz lag. 1923 schloss er sich als Achtjähriger seinem ersten Verein an – dem FC Borussia, der dem Arbeiter Turn- und Sportbund angehörte. Das Vereinslokal der Borussia lag in unmittelbarer Nähe zur elterlichen Wohnung. 1924 wechselte »Schimmy« zum bürgerlichen FC Teutona, nachdem die finanzschwachen Arbeitersportler die Kosten für eine Zahnbehandlung nicht bezahlen konnten, die wegen eines Zusammenstoßes bei einem Spiel erforderlich war. 1926 schloss sich das Talent dem FC Bayern an. Sechs Tage vor Landauers Demissionierung ist Simetsreiter 18 Jahre alt geworden. Sieben dieser Jahre hat er im FC Bayern Landauers verbracht, was ihn nachhaltig prägt. Simetsreiter schildert Landauer als »sehr netten« und »anständigen« Mann und »sehr starken Redner«. »Wenn der beim DFB eine Rede gehalten hat, dann hat man eine Stecknadel fallen hören.« Landauer habe sich sehr um die Spieler gekümmert, diese als Inhaber einer Textilfirma (gemeint ist wohl das Geschäft der Familie in der Kaufingerstraße) auch »privat versorgt«.
Der spätere Bayern-Vizepräsident und Journalist Hans Schiefele, Jahrgang 1919, über die »Bayern-Juden«: »Von vielen hat man es gar nicht gewusst. Man hat erst viel später erfahren, dass sie Juden waren – nachdem sie aus dem Verein austreten mussten. Und von manchen hat man auch nie erfahren, was unter den Nazis aus ihnen geworden ist.«
Wie viele Juden es beim FC Bayern waren, lässt sich nicht genau sagen. Allerdings gibt die Festschrift zum 50-Jährigen einen Hinweis darauf, dass es mehr als nur die bekannten Namen Landauer, Dombi und Beer waren. Nach der Nennung von sieben Bayern-Mitgliedern, die Opfer des Nationalsozialismus wurden, heißt es dort: »Weiterhin hat das Hitlerregime eine nicht unerhebliche Anzahl alter und
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