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Der FC Bayern und seine Juden

Der FC Bayern und seine Juden

Titel: Der FC Bayern und seine Juden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietrich Schulze-Marmeling
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bewährter Mitglieder aus ihrem einstigen Vaterland und aus München vertrieben. Sie mussten draußen sich neue Existenzen gründen und sind uns dadurch vielfach verloren gegangen.« (Hervorhebung d. d.A.) Diese Aussage dürfte sich vornehmlich auf jüdische Mitglieder beziehen.
    Dass Hans Schiefele von vielen Bayern-Juden nichts wusste, Landauer und Dombi ausgenommen, ist kaum verwunderlich. Denn die »Bayern-Juden« fühlten sich nicht in erster Linie als Juden, sondern als Deutsche, Bayern und Mitglieder eines Klubs, in dem Gesinnung und Religionszugehörigkeit keine Rolle spielten und keinen solchen Ausschluss kannten.
    Mit der nationalsozialistischen Machtübernahme gehen den Bayern möglicherweise auch jüdische Sponsoren verloren. So etwa die »jüdischen« Kaufhäuser Hermann Tietz am Hauptbahnhof und Uhlfelder im Rosental, deren Betriebsmannschaften bei den Bayern kickten. Als die NS-Führung für den 1. April 1933 zum Boykott jüdischer Geschäfte aufruft, postieren sich auch vor Tietz und Uhlfelder militante SA- und SS-Leute. Antisemitische Parolen werden gegrölt und potenzielle Kunden eingeschüchtert. »Mit Gewalt wurde niemand gehindert, gutes deutsches Geld den Rassefremden nachzuwerfen«, schreibt der in München erscheinende »Völkische Beobachter« scheinheilig. Nur eine verschwindend geringe Zahl von Bürgern habe den Boykott unterlaufen. »Ihre Namen wurden in den meisten Fällen festgestellt.«
    Der antisemitische Aktionstag richtet erheblichen Schaden an. Der Umsatz der Hermann Tietz OHG wird sich glatt halbieren. Später wird Tietz, nach eigenem Bekunden »der größte Warenhauskonzern Europas in Eigenbesitz«, arisiert. Verkaufen wollte die Familie Tietz nicht, aber als ihre Kredite nicht verlängert werden, muss sie kapitulieren. Sehr zur Freude von Dresdner und Deutscher Bank, die nun in den Aufsichtsrat des Unternehmens einziehen, das sich bis dahin hartnäckig ihrer Kontrolle entzogen hat. Aus der Hermann Tietz OHG wird der »arische« Hertie-Konzern, in dessen Namen Hermann Tietz verstümmelt weiterlebt.
    Noch schlimmer trifft es das Kaufhaus Uhlfelder, das in der Reichspogromnacht vom 9./10. November verwüstet, geplündert und in Brand gesetzt wird. 1939 wird das Kaufhaus mit Genehmigung von Reichswirtschaftsminister Hermann Göring liquidiert.
    Aber auch das Sponsorentum kleinerer Unternehmen zugunsten des FC Bayern dürfte ab 1933 zurückgegangen sein. Einige jüdische Bayern-Funktionäre und Mitglieder, so die Familie Landauer, Otto Albert Beer, Heinrich Raff und Berthold Koppel, waren als selbstständige Kaufleute in der Textilbranche tätig. Jedenfalls heißt es in der 50-Jahre-Festschrift rückblickend: »Finanziell schnitt der Club infolge der mit der völligen Umgestaltung aller Verhältnisse verbundenen Schwierigkeiten nicht günstig ab. Nach langer Zeit musste man sich beim F.C. Bayern wieder bequemen, sich nach einer recht sparsam zugeschnittenen Gelddecke zu strecken.«
    Siegfried Herrmann beerbt Kurt Landauer
    Auch wenn Kurt Landauer offiziell keine Funktionen mehr bekleidet, so mischt er doch aus dem Hintergrund noch einige Jahre mit. Ohnehin können die Skifahrer nicht vollständig die Macht im Verein erobern. Die Führung bleibt zunächst in der Hand der Fußballer.
    Am 12. April 1933 wählt eine außerordentliche Mitgliederversammlung den Kriminal-Oberinspekteur Siegfried Herrmann zum kommissarischen Nachfolger von Kurt Landauer.
    Herrmann zählt sich zur freireligiösen Bewegung, die Mitte des 19. Jahrhunderts in der Zeit des politischen Vormärz entstanden ist. Ihre Grundsätze sind die völlige geistige Freiheit in der Religion, der uneingeschränkte Gebrauch der Vernunft statt Berufung auf äußere Autoritäten oder Überlieferungen sowie Duldsamkeit gegenüber den verschiedenen Religionsauffassungen. Ab 1934 werden viele freireligiöse Gemeinden verboten oder lösen sich auf.
    Die Wahl des langjährigen Landauer-Vertrauten und -Assistenten Herrmann garantiert auch in braunen Zeiten zunächst Kontinuität. Unterlagen aus dem Münchner Stadtarchiv legen nahe, dass Herrmann den Nazis ablehnend gegenüberstand. 1920 war er Leiter der »Abteilung VI d – Politische Abteilung« geworden. Deren Aufgaben lauteten, wie Herrmann selbst ausführt: »Überwachung der politischen Parteien, Gesellschaften, Vereins- und Versammlungsgesetz, Plakatzensur und Flugblätter, Streik und Aussperrungen, Demonstrationen, politische Aufzüge usw.«
    In dieser Funktion war Herrmann

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