Der FC Bayern und seine Juden
verlassen. Zuvor zwingt man sie zum Umzug in überbelegte Gemeinschaftsunterkünfte (»Judenhäuser«) wie das Barackenlager München-Milbertshofen und das Internierungslager Clemens-August-Straße 9.
Alle Insassen des Zuges vom 20. November 1941, so auch Paul Landauer, werden wenige Tage später, am 25. November, in Kaunas von Angehörigen der Einsatzgruppe A ermordet.
Ein weiterer Bruder, Franz Landauer, flüchtet zunächst 1939 nach Amsterdam, das mit seinen über 80.000 Juden und seiner liberalen Atmosphäre bis zum Einmarsch der Deutschen im Mai 1940 als »Jerusalem Westeuropas« firmierte. Nach der Okkupation holt ihn dort die rassistische Verfolgung ein. Auslöser ist der ehemalige Verwalter eines Anwesens (»Martinshausl«), das seine Schwester Gabriele in dem Zugspitzdorf Untergrainau besaß. Der Mann denunziert ihn wegen angeblicher despektierlicher Äußerungen über die Nazis. Franz Landauer muss sich in München vor einem Gericht verantworten. Auf der Fahrt dorthin wird er von einem Gestapo-Beamten »begleitet«, der von ihm wissen will, ob er ein Bruder des ehemaligen Bayern-Präsidenten sei. Als Franz Landauer dies bejaht, offenbart sich der Gestapo-Mann als Bayern-Fan, was zumindest für eine etwas entspanntere Reise sorgt.
In München wird Landauer freigesprochen und kann zunächst nach Amsterdam zurückkehren. Nach erneuter Verhaftung kommt er 1943 im »Polizeilichen Judendurchgangslager Westerbork« in der niederländischen Provinz Drenthe ums Leben. Es ist das Lager, in dem im August 1944 auch Anne Frank interniert wird.
Der dritte Bruder, Leo Landauer, der 1939 nach Berlin gezogen ist, wird 1942 in Majdanek ermordet. Das berüchtigte Vernichtungslager liegt im Süden Lublins, der größten Stadt Ostpolens und bis zum Einmarsch der Deutschen ein Zentrum jüdischen Lebens. Noch 1900 waren 47 Prozent der Einwohner von Lublin Juden. Reinhard Heydrich, Leiter des Reichssicherheitshauptamtes und ein wesentlicher Architekt des Holocausts, hatte die Idee entwickelt, die Juden aus dem »Altreich« in ein »Judenreservat« oder »Reichsghetto« bei Lublin zu deportieren.
Schwester Gabriele kommt ebenfalls im KZ ums Leben. Sie war Witwe des Kaufmanns und Kommerzienrats Martin Rosenthal, der im April 1933 starb. 1913 hatte das Ehepaar das Haus Kaufingerstraße 30 sowie 1918 das Haus Frauenplatz 8 erworben; ihr Wohnhaus befand sich in der Leopoldstraße 24. Gabriele Rosenthal nannte zudem eine bedeutende Kunstsammlung ihr eigen. Am 8. August 1939 wird der Hausbesitz Kaufingerstraße/Frauenplatz »arisiert« und geht an die Firma F. Waldbauer OHG über. Das Haus in der Leopoldstraße erwirbt die Isar-Versicherung. Ihre Schwester Henny und deren Mann Julius Siegel (s.u.) organisieren ihr eine Einreiseerlaubnis nach Palästina. Aber da Gabriele ihren geistig behinderten Sohn Hans hätte zurücklassen müssen, bleibt sie in München. Am 26. November 1941 wird Gabriele Rosenthal zu einer »Spende« von 50.000 RM zur Finanzierung des Lagers Milbertshofen genötigt. Am 4. April 1942 wird sie ins KZ Piaski bei Lublin deportiert und am 30. September 1942 amtlich für tot erklärt.
Hans Rosenthal wird aus der jüdischen Heilanstalt Bendorf-Sayn deportiert und in Izbica bei Lublin ermordet. Auf dem Familiengrab der Rosenthals auf dem Neuen Israelitischen Friedhof in Schwabing-Freimann wird als Todesjahr 1943 angegeben.
Ein Foto, das um die Welt geht
Außer Kurt Landauer überlebt von den Landauers nur noch die Schwester Henny den Holocaust. Mit Ehemann Julius Siegel und zwei Kindern kann sie sich rechtzeitig nach Palästina retten.
Julius Siegel betrieb mit seinem Vetter Michael Siegel eine Anwalts-Sozietät. Beide hatten – wie Kurt Landauer – am Ersten Weltkrieg teilgenommen. Michael Siegel ist auch in der liberalen jüdischen Gemeinde Münchens und im Alpenverein aktiv. Münchens Juden besaßen eine große Leidenschaft für die Berge, aber bereits 1924 wurde in der Sektion München der Alpinisten die »Judenfrage« diskutiert und eine antisemitische Entwicklung eingeleitet.
Zu den Mandanten der Siegels gehört auch Max Uhlfelder, Besitzer und Leiter des Kaufhauses Uhlfelder im Rosental. Am 9. März 1933, wenige Stunden nach der Ernennung Heinrich Himmlers zum kommissarischen Polizeipräsidenten Münchens, wird Max Uhlfelder verhaftet und in Dachau interniert. Einen Tag später sucht der 40-jährige Michael Siegel in Uhlfelders Auftrag die Münchner Hauptpolizeiwache in der Ettstraße auf. Siegel will die
Weitere Kostenlose Bücher