Der FC Bayern und seine Juden
Palästina gab es ja auch eine Zensur während des Krieges. Meine Mutter wahr wohl in Verbindung mit ihm.«
Mehrfach fordert die Familie auch ihren Verwandten Michael Siegel auf, Nazi-Deutschland zu verlassen und nach Palästina zu kommen. Michael Siegel stammt aus Arnstein in Franken, der Vater war Landwirt und Pferdehändler, weshalb der Onkel nach Uri Siegels Auffassung hervorragend nach Palästina gepasst hätte. Doch Michael Siegel antwortet: »Ich bin Deutscher und gehöre hier hin.«
1939 schickt er seine Kinder Beate und Peter mit dem Kindertransport nach England. Ihm selbst und seiner Frau Mathilde gelingt erst in letzter Minute die Flucht, und dies auch nur dank eines Zufalls. Siegel nahm Spanischunterricht bei einem Studenten, der ein Neffe des Innenministers von Peru war. Dank dieses Kontakts gelangt das Ehepaar in den Besitz der nötigen Visa und kann 1940 nach Peru auswandern. Dort dient Siegel der deutsch-jüdischen Vereinigung als Funktionär. 1971 meldet sich noch einmal sein Heimatland: Michael Siegel bekommt das Große Bundesverdienstkreuz am Band verliehen – für seine Mithilfe bei der Einrichtung der deutschen Auslandsvertretung in Peru. Acht Jahre später stirbt er 96-jährig in Lima.
Das Ende der »Textil-Juden«
Unter den Mitgliedern des FC Bayern befanden sich mehrere selbstständige jüdische Textilkaufleute, die sich für den Klub engagiert hatten. Der bekannteste von ihnen war Otto Albert Beer, bis 1933 erfolgreicher Jugendfunktionär der Bayern. Zum Kreis dieser „Textiljuden“ zählten außerdem Berthold Koppel, Heinrich Raff und Siegfried Weisenbeck, deren Schicksale teilweise aufgeklärt werden konnten.
Die Familie von Otto Albert Beer wird vollständig ausgelöscht. Der jüdische Textilkaufmann war Teilhaber der Firma Theilheimer & Beer, einer Warenagentur, die zunächst in der Landwehrstraße 64a/I und später in der Herzog-Heinrich-Straße 10 ihren Sitz hatte. Im Oktober 1938 wurde die Firma im Zuge der nationalsozialistischen Maßnahmen zur »Entjudung der Wirtschaft« liquidiert. Beer musste nun von seinen Ersparnissen leben, zeitweise verdingte er sich als Automechaniker. Seine Frau Nelly (geb. Fränkel) hatte nach der Höheren Töchterschule ein Studium an der Akademie für Tonkunst absolviert. Später arbeitete sie als Textilvertreterin. Mitte 1941 wird Nelly Beer mit vielen anderen jüdischen Frauen zur Zwangsarbeit in der Flachsröste Lohhof verpflichtet. Die Beers bemühen sich um Auswanderung nach Neuseeland, Kenia und Rhodesien, aber ohne Erfolg.
Am 20. November 1941 befinden sich Otto Albert und Nelly Beer sowie ihre 18- bzw. 16-jährigen Söhne Ernst Rudolf und Kurt Gustav im selben Deportationszug wie Paul Landauer. Auch die Familie Beer wird am 25. November 1941 in Kaunas von Mitgliedern der Einsatzgruppe A ermordet.
Therese Beer, die 77-jährige Mutter von Otto Albert Beer, wurde am 17. Juni 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo sie am 12. November 1942 verstirbt. Bis zu ihrer Deportation lebte Therese Beer im Jüdischen Altersheim in der Mathildenstraße 9. Ihr Ehemann, der Chirurg Heinrich Beer, der sich mit seiner Familie einen Monat vor der Gründung des FC Bayern in der Maffeistraße 9 niedergelassen hatte, war bereits 1938 79-jährig verstorben.
Berthold Koppel, aus Beilstein an der Mosel stammend, war seit dem 25. Februar 1925 Alleininhaber der Firma Koppel und Steinberg in der Neuhauser Straße 21/II. Die Firma produzierte und vertrieb Krawatten und beschäftigte fünf Näherinnen, eine Angestellte, ein Lehrmädchen und zwei gewerbliche Arbeiterinnen. Am 30. November 1938 wurde das Gewerbe abgemeldet.
In München lebte Koppel in der Haydnstraße 10/II (seit 14.10.1922), Bauerstraße 24/I (seit 21.5.1928),Elisabethstraße 13/I (seit 30.10.1931) und in der Holzkirchnerstr. 5 bei Lipcowitz (seit 25.6.1939). Bei Letzteren dürfte es sich um Verwandte gehandelt haben, denn Lipcowitz war der Familienname seine Ehefrau Lilly.
Am 3. April 1942 werden Lilly und Berthold Koppel mit ihrer Tochter nach Piaski deportiert. Zwei Wochen zuvor waren bereits Koppels Geschwister Karl (mit Ehefrau Herta und Sohn Kurt) und Irma nach Lublin deportiert worden. An das Schicksal der Geschwister Koppel erinnern Stolpersteine in Bingen und eine Gedenkplatte vor dem Grabmal der Eltern Leopold und Johanna Koppel auf dem jüdischen Friedhof in Bingen.
Der Textilkaufmann Heinrich Raff besaß mit seinem Bruder Bernhard die Firma A. Raff, einen Kleinhandel mit Weißwaren und
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