Der FC Bayern und seine Juden
kommt die Neuorganisation des Vereins voran. Zunächst ersetzt Josef Bayer »den sang- und klanglos in der Versenkung verschwundenen Vereinsführer Sauter in einem neuen Geiste« (»50 Jahre FC Bayern«). Aber ein richtiger Klub wird der FC Bayern erst wieder mit Siegfried Herrmann, dem langjährigen Vertrauten von Kurt Landauer und dessen Nachfolger als Bayern-Präsident. Herrmann ist im Mai 1945 aus Wien zurückgekehrt und steigt ab Oktober in die Vereinsarbeit ein. Er formuliert »sofort eine den Erfordernissen der Zeit angepasste Satzung« und führt »die erforderlichen Arbeiten für die Lizenzierung des Clubs bei der Militärregierung« durch. Um diese zu erlangen, »mußten (aus den Vereinsleitungen) sämtliche Parteigenossen ausscheiden. Mitglieder, die als Aktivisten angesprochen werden konnten, mußten sogar ausgeschlossen werden. Dazu war es notwendig, Berge von Fragebögen auszufüllen, Bürgen beizubringen usw., ehe man damit rechnen konnte, die Lizenz der Militär-Regierung in den Händen zu halten.« (»50 Jahre FC Bayern«)
Im Spätherbst 1945 wird die erste Mitgliederversammlung einberufen, die in den Katakomben des stark zerstörten Theaters am Gärtnerplatz über die Bühne geht. Die Versammelten wählen Siegfried Herrmann zum neuen Präsidenten. Wohl nicht nur wegen seines organisatorischen Talents. Denn Hermann gilt als »politisch unbescholten«. Bereits am 18. August 1945 wurde er mit Zustimmung der amerikanischen Militärregierung in seinem alten Beruf als Kriminalkommissar wiedereingestellt. Oberbürgermeister Scharnagl ernennt ihn kurz darauf zum »Sicherheitsdirektor auf Lebenszeit«.
Herrmanns Intimfeind Max Amann, jener Nazifunktionär, der einst seine Degradierung und Zwangsversetzung nach Wien verursacht hatte, wird man 1948 als »Hauptschuldigen« einstufen, zu zehn Jahren Zwangsarbeit verurteilen – und frühzeitig entlassen.
»Kurt Landauer ist zurück!«
Nur wenige jüdische Emigranten kehren nach München zurück. Zu ihnen gehört die Schauspielerin Therese Giehse, die Anfang 1933 in München mit Erika und Klaus Mann das Kabarett »Die Pfeffermühle« gegründet hatte. Noch im selben Jahr emigrierte Giehse in die Schweiz. Am 22. September 1949 steht die Schauspielerin erstmals wieder in Deutschland auf der Bühne – in den Münchner Kammerspielen und im Stück »Der Biberpelz« von Gerhart Hauptmann. Von 1949 bis 1952 gehört Giehse Bertolt Brechts Berliner Ensemble an.
Ende Juni 1947 meldet das »Sport-Magazin«: »Kurt Landauer, süddeutscher Fußballpionier, ist zurück aus der Emigration.« Der 63-Jährige bezieht eine Wohnung in der Virchowstraße 14, in Schwabing zwischen Leopoldstraße und Ungererstraße gelegen. Dort bleibt er bis zu seinem Tod im Dezember 1961. Landauer ist erwerbslos, es folgt noch eine kurze Tätigkeit im Verlag des Münchner Stadtrats Richard Pflaum. Das jetzige CSU-Mitglied Pflaum war nach der Novemberrevolution 1918 für den Soldatenrat ein Mitglied des Provisorischen Nationalrats in Bayern gewesen und hatte bis 1933 die Wochenzeitung »Welt am Sonntag« herausgegeben.
Dass Landauer nach München zurückkehrt, ist ebenso erstaunlich wie bewundernswert – zumal in Anbetracht des Schicksals seiner Familie. Was 1947 noch an Verwandtschaft existiert, lebt in Palästina oder Kalifornien. Andreas Heusler vom Münchner Stadtarchiv wertet Landauers Entschluss zur Rückkehr und sein erneutes gesellschaftspolitisches Engagement als »eher singuläre Erscheinung. Nur wenige der aus München vertriebenen Juden konnten sich nach den demütigenden und lebensbedrohenden Erfahrungen der NS-Zeit zu diesem Schritt durchringen.«
Vielleicht ist es die Heimatverbundenheit des »bayerischen Urviehs«. Vielleicht auch die Geschichte seines Klubs, die den Glauben an eine auch in dunklen Zeiten einigermaßen intakte Eigenwelt erlaubt. Immerhin hat man Kontakt zum vertriebenen Präsidenten gehalten,
Und auch die Geste von 1943, als die Mannschaft dem Exilanten in Zürich zuwinkte, dürfte bei Landauer ihren Eindruck hinterlassen haben. Am wichtigsten ist aber vielleicht, dass beim FC Bayern mit Siegfried Herrmann wieder ein alter Mitstreiter das Sagen hat. So winkt eine Rückbesinnung auf die »guten alten Zeiten«.
und außerdem kehrt Kurt Landauer als Sieger zurück. Die Nazis haben ihn nicht vernichten können. Der Klub hat ohne ihn an sportlicher und gesellschaftlicher Reputation verloren. Und gibt es etwas Besseres als einen Juden an der Klubspitze, um
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