Der FC Bayern und seine Juden
die gesamte Mannschaft bei einem Flugzeugunglück ums Leben.
Erbsteins Landsmann Béla Guttmann, als Aktiver für MTK Budapest, Hakoah Wien und einige New Yorker Klubs am Ball, führt als Trainer Benfica Lissabon 1961 und 1962 zum Gewinn des Europapokals der Landesmeister. Und in Amsterdam strickt ein Netzwerk von Holocaust-Überlebenden am Aufstieg von Ajax zu einer europäischen Topadresse mit. Unter dem jüdischen Präsidenten Japp van Praag gewinnt Ajax dreimal in Folge – 1971, 1972 und 1973 – den Europapokal der Landesmeister.
Überlebende in München
Am 30. April 1945 finden die amerikanischen Befreier in München lediglich 84 überlebende Juden vor. Zu denen, die der Vernichtung entgehen konnten, gehört Alfred Bernstein, Torwart der Bayern-Mannschaft, die in der Saison 1925/26 erstmals die Süddeutsche Meisterschaft gewann, süddeutscher Auswahlspieler und »einst der Liebling der Münchner Fußballgemeinde«, wie die Zeitschrift des jüdischen Sportbundes »Schild« Ende August 1933 in einem Artikel über jüdische Fußballstars in Deutschland und Österreich stolz schrieb.
In den NS-Jahren hatte Bernstein wiederholt Probleme mit der Gestapo bekommen. Obwohl nach den Nürnberger Gesetzen Jude, konnte sich Bernstein erfolgreich darauf berufen, dass er protestantisch getauft und konfirmiert war.
Ende Juni kehren zwischen 150 und 160 Überlebende des KZ Theresienstadt zurück nach München. Wenig später, am 19. Juli 1945, erfolgt die Neugründung der Israelitischen Kultusgemeinde. Die Münchner Stadtchronik notiert: »Gründung der Israelitischen Kultus gemeinde München und Oberbayern. Im Jüdischen Altersheim an der Kaulbachstraße fand die verfassungsgebende Versammlung der Israelitischen Gemeinde München und Oberbayern statt. Hatte die Kultusgemeinde vor dem Krieg rund 12.000 Mitglieder gezählt, so fanden sich zur Neugründung nur noch etwa 100 Personen ein. Zu Beginn der Veranstaltung gedachten die Anwesenden ihrer verschleppten und ermordeten Glaubensgenossen.«
Dass die Jüdische Gemeinde dann bis März 1946 auf bereits wieder ca. 2.800 Mitglieder wächst, liegt an der hohen Zahl von »Displaced Persons«. Im Mai 1945 hatten die westlichen Alliierten auf dem Gebiet ihrer späteren drei Besatzungszonen rund sieben Millionen Menschen vorgefunden, die im Zuge des Krieges aus ihrer Heimat vertrieben, verschleppt oder geflohen waren. Das Hauptquartier der alliierten Streitkräfte bezeichnete sie als »Personen, die nicht an diesem Ort beheimatet sind« – »Displaced Persons (DP)«.
Etwa 100.000 der DP sind Juden. Durch die DP-Lager in München und Umgebung wird nun die ehemalige »Hauptstadt der Bewegung« vorübergehend zu einem Zentrum jüdischen Lebens. Allerdings ist für viele der Neuankömmlinge München nur eine Transitstelle auf dem Weg nach Palästina, in die USA oder andere Länder. Nur ein Teil von ihnen bleibt in München und bildet hier die Basis für einen Neuanfang jüdischen Lebens. Am 20. Mai 1947 wird die wiederhergestellte Synagoge in der Reichenbachstraße 27 eingeweiht.
»Kein Ort für Juden«
»Für den größeren Teil der jüdischen Welt war der Gedanke, die jüdischen Gemeinden in Deutschland wiederaufzubauen, unerträglich. Die meisten europäischen Juden betrachteten Nachkriegsdeutschland als einen blutbefleckten Staat, in dem Juden, die etwas auf sich hielten, nicht leben konnten. Sogar einige der Juden in Deutschland selbst waren der Meinung, sie seien lediglich eine ›Liquidierungsgemeinde‹, die zwischen den Lagern und dem Grab haltmache«, schreibt Bernard Wasserstein in seinem Buch über das europäische Post-Holocaust-Judentum.
Die meisten im Exil lebenden deutschen Juden wollen mit Deutschland und den Deutschen nichts mehr zu tun haben. Robert Weltsch, ein früherer Chefredakteur der »Jüdischen Rundschau«, schreibt 1946 nach einem Besuch der ehemaligen Heimat: »Wir können nicht annehmen, dass es Juden gibt, die sich nach Deutschland hingezogen fühlen. Es stinkt hier nach Leichen, Gaskammern und Folterzellen. Tatsächlich leben heute noch ein paar tausend Juden in Deutschland. (…) Dieser jüdische Siedlungsrest (…) sollte so schnell wie möglich aufgelöst werden. (…) Deutschland ist kein Ort für Juden.«
Den »deutschen Staatsbürger jüdischen Glaubens« gibt es nicht mehr und kann es auch nicht mehr geben. Raphael Gross, Direktor des Jüdischen Museums Frankfurt, im November 2010: »So bezeichneten sich die Juden, die sein wollten wie
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