Der FC Bayern und seine Juden
gegenüber den Alliierten Glaubwürdigkeit zu demonstrieren?
Nur wenige Wochen nach seiner Rückkehr, am 19. August 1947, wird Kurt Landauer zum vierten Mal zum Präsidenten des FC Bayern gewählt. Siegfried Herrmann wird sein Vizepräsident. Als ob zwölf Jahre NS-Regime nur ein böser Traum gewesen wären – der FC Bayern wird nun wieder von dem Duo geführt, das den Klub 1932 zur Deutschen Meisterschaft geleitet hat. Und die Stadt wird – wie im Meisterjahr 1932 – von Dr. Karl Scharnagl regiert.
Über seine Zeit in Dachau spricht Landauer nicht. Nur eine Geschichte erzählt er ab und an: die vom »rechten Flügelmann« beim Appell, der stets als Erster die Prügel bezog. In dieser Rolle wechselte er sich mit einem anderen Inhaftierten ab, Dr. Rudolf Picard. Und wenn die Sekretärinnen auf der Bayern-Geschäftsstelle Fehler machen, entfährt es ihm im schönsten Bayerisch: »Jo, habst ihr denn nix andres glernt, wie Heil Hitler zu sagen?«
Problematisch ist zunächst Landauers Verhältnis zu Konrad »Conny« Heidkamp, dem Kapitän der Meistermannschaft von 1932 und noch in den Kriegsjahren eine Leitfigur des Bayern-Teams. Landauer verlangt von Heidkamp, ihm sämtliche Ausgaben für die Kriegsjahre zu belegen – ein schier unmögliches Unterfangen. Landauer ist wohl immer noch der Meinung, dass Heidkamp beim Gastspiel der Bayern 1943 in Zürich die Kontaktaufnahme im Hotel verweigert habe – und darüber schwer verbittert.
Doch in Siegfried Herrmann hat Heidkamp einen starken Fürsprecher: »Wenn Conny Heidkamp nicht gewesen wäre, würde der FC Bayern heute nicht mehr bestehen.« Und als der FC Bayern seinen 50. Geburtstag feiert, kommt es zur Versöhnung. Als Kurt Landauer über die Geschichte des FC Bayern referiert, fällt der Satz: »Wir wollen die letzten Jahre vergessen und Gnade walten lassen.« Ein Satz, der aber sicherlich nicht nur an Conny Heidkamp gerichtet ist.
Kurt Landauer ist nicht der einzige jüdische Heimkehrer in der deutschen »Fußballszene«. Ebenfalls 1947 wird Alfred Ries Präsident des SV Werder Bremen und bleibt dies – wie Landauer – bis 1951. Ries war erstmals 1923 an die Vereinsspitze gewählt worden. 1935 wurde ihm die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. Während Ries den Nationalsozialismus überlebte, wurden seine Eltern im KZ Theresienstadt ermordet. Nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland ist Ries im diplomatischen Dienst tätig.
Bei den Stuttgarter Kickers engagiert sich nach dem Zweiten Weltkrieg erneut Hugo Nathan im Vorstand, der die NS-Zeit in Kreuzlingen in der Schweiz überlebt hat. Er wird 2. Vorsitzender und steht dem Spielausschuss vor. In Nathans Amtszeit fällt ein dritter Platz in der Oberliga-Süd-Saison 1947/48.
Mit Landauer an »die Säbener«
Für den FC Bayern ist der Heimkehrer Landauer von unschätzbarem Wert. Die Alliierten stehen dem deutschen Vereinswesen misstrauisch gegenüber und betrachten auch Sportvereine zunächst als »mächtiges Werkzeug zur Verbreitung von Nazilehren und Einprägung von Militarismus«, wie es in einer Verordnung vom September 1945 heißt. Vielerorts sind es unbescholtene Sozialdemokraten und Sozialisten, erwiesene Gegner des NS-Regimes, die ihren Verein nun mit alliierter Billigung neu positionieren. Der FC Bayern kann sogar mit einem Juden aufwarten.
Der zur Emigration gezwungene jüdische Heimkehrer Landauer verleiht der anti-nazistischen/demokratischen Gesinnung des FC Bayern Glaubwürdigkeit. Dies sichert dem Klub gegenüber dem TSV 1860, dem die neuen politischen Herrscher nun aufgrund seiner Verstrickung mit dem NS-Regime reserviert begegnen, einen gewissen Startvorteil beim Neuanfang.
Doch Landauer ist alles andere als nur ein Aushängeschild. Von seinem ersten Wiedergutmachungsgeld stellt er dem Klub 10.000 DM als Darlehen zur Verfügung. Zudem beschafft Landauer dem Klub Fördermittel, und es ist seiner Autorität und Hartnäckigkeit zu verdanken, dass der FC Bayern an der Säbener Straße eine neue und dauerhafte Heimat findet und vernünftige Trainingskapazitäten erhält. So gelingt Kurt Landauer, wovon »der Herr Sauter« nur geprahlt hat.
Noch am Tag seiner Wahl verfasst Landauer ein Schreiben an die Stadt, in dem er mitteilt, dass er »wieder die Leitung des FC ›Bayern‹ übernommen« habe. »Getreu der Traditionen unseres Clubs werden wir auch fernerhin Ihre Bestrebungen zu fördern helfen. Ich werde mir gestatten, Ihnen in der nächsten Zeit meine persönliche Aufwartung zu
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