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Der Federmann

Der Federmann

Titel: Der Federmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bentow
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15:48 umgesprungen waren, dann nahm er den Topf vom Herd und schüttete das Wasser mit den Spaghetti in das Sieb. Abtropfen lassen, fertig.
    Er klapperte absichtlich laut mit dem Geschirr.
    Noch einmal horchte er an der Tür.
    Nichts war zu hören.
    Er tat die Spaghetti auf den Teller, legte Gabel und Löffel an den Rand, wartete noch einmal zwei Minuten ab, dann öffnete er die Wohnzimmertür einen Spaltbreit und schaute hinein.
    Da lag sie, auf dem Sofa. Sie hielt ihre Kapuzenjacke an sich gedrückt wie ein Kuscheltier. Ihr Haar war über der Armlehne ausgebreitet wie ein schönes blondes Vlies.
    Er verlor sich in dem Anblick.
    Da drehte sie plötzlich den Kopf, und er wich erschrocken einen Schritt zurück, doch sie hatte ihn schon bemerkt.
    Rasch richtete sie sich auf und sah ihn an. Ihre Wangen waren vom Schlaf gerötet, aber in ihren Augen blitzte es, sie schien hellwach zu sein.
    »Hast du Hunger?«, fragte er vorsichtig, aber sie antwortete nicht.
    Er ging in die Küche zurück, nahm den Teller mit den
Spaghetti und dem Besteck und balancierte ihn ins Wohnzimmer.
    Vorm Sofa blieb er stehen und fragte noch einmal: »Hast du Hunger?«
    Sie beäugte erst den Teller in seiner Hand, dann ihn.
    Da sie noch immer nichts sagte, stellte er ihn auf dem Couchtisch ab.
    Er ließ sich neben ihr nieder, in angemessenem Abstand, dicht an der zweiten Armlehne. Sie setzte sich auf, die Kapuzenjacke ließ sie nicht los. Dann rückte sie ein Stück von ihm ab, drückte sich in die Sofaecke hinein.
    Eine Weile sagten sie beide nichts.
    Plötzlich fragte sie mit belegter Stimme: »Wo ist meine Mama jetzt?«
    Er seufzte. Es war äußerst schwierig, diese Frage zu beantworten.
    Er zupfte an seinem Ohrläppchen.
    »Glaubst du an einen Gott?«, fragte er.
    Sie hob die Schultern.
    »Vielleicht gibt es einen Gott«, sagte er.
    Wenn es einen gab, dachte er, dann müsste Magda bei ihm sein, und alles hätte einen Sinn, aber wem war damit schon geholfen? Ihm jedenfalls nicht, ihn brachten diese Fragen zur Raserei.
    Er schob ihr den Teller hin.
    »Iss, du musst sehr hungrig sein.«
    Sie zögerte, dann nahm sie Löffel und Gabel und begann geschickt, die Spaghetti aufzuwickeln. Beim Essen schmatzte sie ein wenig, das gefiel ihm. Schließlich war er auch mal ein Kind gewesen und hatte mit den Tischmanieren
zu kämpfen gehabt. All das lag so weit zurück, nun war er zu einem Menschen geworden, der Ordnung brauchte, denn Ordnung bot ihm Halt.
    »Und du?«, fragte sie mit vollem Mund.
    Er schüttelte den Kopf.
    Er war zu aufgeregt, hätte sich verschluckt, immerzu aufstoßen müssen, womöglich wäre ihm die Soße übers Kinn gelaufen.
    Sie aß weiter, er beobachtete sie genau, ihm entging nicht, dass sich ihre Augen mit Tränen füllten. Er spürte, wie sie dagegen ankämpfte, sie aß trotzig weiter, doch schließlich ließ sie das Besteck sinken und rieb sich über das Gesicht.
    Er rutschte etwas näher und strich mit der Hand über ihren Kopf. Ihr Haar war voll, ein blondes dichtes Wunder.
    Sie wich zurück.
    »Fass mich nicht an!«
    Er hielt die Hand noch ausgestreckt, doch er fügte sich, nickte ihr zu und zog sich wieder in seine Sofaecke zurück.
    Sie wischte sich die Tränen weg und aß noch ein paar Bissen, schließlich schob sie den Teller weg: »Dein Essen schmeckt nicht.«
    Vielleicht hatte er es nicht richtig gewürzt, ohne Zwiebeln und Knoblauch, das waren ja auch erschwerte Bedingungen, er holte die Pfeffermühle und den Salzstreuer aus der Küche, stellte ihr beides hin. Sie nahm und würzte nach, probierte noch einmal, dann schüttelte sie den Kopf.
    Er war enttäuscht, er wollte ihr doch eine Freude machen. Sie schauten beide auf das verschmähte Essen.
    Lene drückte die Kapuzenjacke noch fester an sich.

    Die Jacke verströmte einen eigenartigen Geruch, er rümpfte kurz die Nase.
    Er versuchte es mit einem Lächeln, sie reagierte nicht.
    Sie wischte sich mit dem Finger eine Träne weg und fragte: »Ob meine Mama noch zu Hause liegt, da auf dem Bett?«
    Für einen Moment versuchte er sich die Szenerie auszumalen.
    »Sie werden sie abgeholt haben. Das ist der Lauf der Dinge.«
    Sie schien nachzudenken.
    »Und wo kommt sie jetzt hin?«
    »Manche werden verbrannt, andere kommen unter die Erde.«
    Sie nagte an ihrer Unterlippe, wieder wollte er ihr über das Haar streichen, seine Antwort hatte sie nicht gerade geschont, das war ihm jetzt auch klar. Herrgott, es war wirklich nicht einfach, mit ihr über all das zu sprechen.
    Er

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