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Der Fehler des Colonels

Der Fehler des Colonels

Titel: Der Fehler des Colonels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Mayland
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zerknüllte sie die Karte in der Hand.
    Vor drei Monaten hatte sie bei einer Blutspendeaktion der Erstsemester an der Duke Blut gespendet und erfahren, dass sie die Blutgruppe 0 hatte. Und an der Highschool hatte sie in Biologie gelernt, dass ABEltern kein 0-Kind haben können.
    Außer natürlich, das Kind war adoptiert.
    Ein paar Minuten lang starrte sie die Karte sprachlos an, dann blickte sie auf und sah ihren alten Hockeyschläger an der Wand lehnen. Sie hatte ihn beim Regionalturnier im vergangenen Jahr benutzt, ihr Team hatte gewonnen. Ihre Mutter wollte ihn rahmen lassen.
    Ohne weiter nachzudenken, stand sie auf, packte den Schläger, sodass er gut in der Hand lag, drehte sich zur Wand, wo auf Augenhöhe eine Atelieraufnahme von ihr und ihren vermeintlichen Eltern hing. Ihr Verstand sagte ihr, dass ihre Eltern wahrscheinlich die Guten waren. Sie hatten sich achtzehn Jahre um sie gekümmert, als wäre sie eine leibliche Tochter.
    Aber sie hatten sie auch angelogen und Daria war wütend.
    Sie schwang den Hockeyschläger, zerschmetterte das Glas und zerstörte das Foto.
    »Scheiß auf euch«, schrie sie, den Schläger ließ sie in der Wand stecken. »Scheiß auf euch alle.«

    Um acht Uhr war Daria ein gutes Stück südlich von Baku und raste mit über hundertfünfzig Sachen in einem Leihwagen, einem kleinen Fiat, die M3 hinunter.
    Sie streifte Kopftuch und Tschador ab und fuhr mit offenem Fenster, sodass ihr Haar im Wind wehte. Aber jedes Mal, wenn sie an einer Stadt vorbeikam, in der es Handyempfang gab, kurbelte sie das Fenster hoch und versuchte ihren Onkel in Frankreich anzurufen, den Onkel, der ihr damals gesagte hatte, wer sie war. Keiner nahm ab.
    Sie sagte sich, sie müsse etwas essen, sie brauche die Energie, aber ihr war übel, und es wollte einfach nicht vergehen. Essen war das Letzte, was sie wollte.
    Die Wüstengegend an der Küste wich dem Sumpfland, dann kamen Weizenfelder und schließlich nach mehreren Stunden üppig grüner Wald, der gelegentlich den Blick auf das steile, ebenfalls bewaldete Talysh-Gebirge im Westen freigab.
    In Astara, direkt an der Grenze zum Iran, parkte sie gegenüber der korallenfarbenen Schachschule des Bezirks an der Straße, die durch das Zentrum der Stadt führte. Nach ein paar Blocks bog sie in eine gepflasterte, teils von Gras überwachsene Straße ein, über der die Stromkabel tief herabhingen. Von Unkraut überwucherte Ziegelsteine lagen vor halb fertigen Häusern. Dürftig ausgestattete Läden und zweistöckige Häuser säumten den Rest der Straße.
    Als Daria schließlich ihr Ziel erreichte, schlug sie die Hand vor den Mund und stand da wie gelähmt.
    Nicht weinen, sagte sie sich. Du hast das fast erwartet, oder? Reiß dich zusammen.
    Reiß dich zusammen? Was sollte das noch bringen, nach allem, was passiert war?

30
    Verwirrt beobachtete Mark, wie Daria auf die Knie fiel.
    Vor ihr ragte ein ausgebombtes Gebäude auf, in dem anstelle von Fenstern nur noch schwarze Löcher klafften. Es sah finster und hässlich aus. Ein paar verkohlte Palmen rahmten das Haus ein. Polizeiabsperrungen waren vor das Gebäude gespannt, damit die Gaffer nicht hineinliefen, aber bewacht wurden sie nicht. Ein beißender Geruch nach Asche und Rauch lag in der Luft, als ob das Feuer noch schwelte.
    Mark ging näher ran und erkannte, dass Daria weinte.
    Einen Augenblick später lief ein großer, schlaksiger Mann mit pechschwarzen Haaren auf sie zu. Sie umarmten sich und gingen.
    Mark folgte ihnen, aber bald verzogen sie sich in eines der vielen Cafés, die sich zwischen dem Kaspischen Meer und einer langen Schlange aus Tanklastern befanden, die über die Grenze in den Iran wollten.
    Er ging um das Café herum und versteckte sich hinter den Überresten eines alten Riesenrads, das zwischen Treibholz auf dem grauen Strand lag und vor sich hin rostete. Von dort aus hatte er gute Sicht auf die Terrasse, wo ein paar Plastiktische standen. Daria und ihr Begleiter diskutierten kurz, bevor sie sich an den Tisch in der Ecke setzten, so weit wie nur möglich von drei Männern entfernt, die Domino spielten und rauchten.
    Darias Freund gestikulierte lebhaft. Er sah jung aus, dachte Mark. Ein bärtiger Kellner brachte den beiden Tee in Gläsern.
    Mark rief Decker an und sagte ihm, er solle hinter das Riesenrad kommen.
    »Und leg nicht auf«, fügte er hinzu. »Wenn ich aufhöre zu reden, bleib einfach in der Leitung, steck das Handy in die Tasche und sei leise.«
    Mark umrundete das Café wieder und ging

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