Der Fehler des Colonels
vollkommene Stille. Mark konzentrierte sich auf die Stille, lauschte auf eine Störung, vielleicht den Motor eines herannahenden Autos.
Er hörte nichts. »Schön, fangen wir an.«
64
Washington, D. C.
Colonel Henry Amato tastete im Dunkeln nach seinem Handy und entdeckte es schließlich auf dem Nachttisch neben seinem Bett. Ein paar Mal drückte er die falschen Tasten, dann fand er die richtige und meldete sich.
»Amato«, schrie er ins Telefon, immer noch ein wenig umnebelt von mehreren Gläsern Grappa, die er vor wenigen Stunden geleert hatte. Seine Brust war nackt, er trug nur Boxershorts.
Auf dem Nachttisch stand eine antike persische Messinglampe. Er schaltete sie an und setzte sich auf.
»Hier ist Martinez, Sir.«
Amato fragte nach dem Prüfcode. »Bestätigt«, sagte er, als er ihn erhalten hatte.
»In Frankreich gab es Aktivitäten. Zwei Personen überwachen Minabi.«
»Wurden sie identifiziert?«
»Nein, Sir.«
»Wo ist ihr gegenwärtiger Standort?«
»Tja, sie beobachten das Haus von einem Kirchturm aus.«
Amato fuhr mit der Hand durch sein wirres Haar. »Ein Kirchturm?«, hakte er nach.
»Ja, Sir, er befindet sich einen halben Kilometer von dem Gelände entfernt, auf dem Minabi festgehalten wird. Vor fünf Stunden hat einer unserer NightEagles ein verdächtiges Wärmebild von dem Turm geschossen.«
»Menschlich?«
»Wir denken schon. Aber das Bild wurde aus einer Höhe von mehreren Kilometern gemacht, es war also nicht eindeutig. Wir überwachen seitdem den Standort aus einem besseren Blickwinkel, haben aber sonst nichts Verdächtiges gesehen – bis zur Dämmerung, als wir zwei Personen aufnahmen. Ein Uhr dreißig Ihrer Zeit, ungefähr vor einer halben Stunde.«
»Sie haben die Bilder?«
»Ich habe sie an Ihren Account geschickt.«
Amato stand auf, achtete aber wegen seiner Rückenbeschwerden darauf, sich nicht zu schnell zu bewegen, und ging ins Gästezimmer, wo sein Laptop stand.
Er loggte sich in einen anonymen Emailaccount ein, der von der Regierung unabhängig war, und tippte einen zusätzlichen Sicherheitscode ein, um die Dateien zu öffnen. Die erste enthielt einen fünfsekündigen Infrarotvideoclip, der vor fünf Stunden entstanden war. Zu sehen war ein körniger Klecks aus Grün, Rot und Gelb – Farben, die Wärme abbildeten – vor einem indigoblauen Hintergrund. Das Video war direkt oberhalb der Kirche aufgenommen worden und die Näherungswerte für das Größenverhältnis waren nur in Metern angegeben, man konnte also nicht wissen, ob man hier einen großen Vogel oder einen Menschen sah.
Amato spielte den zweiten Videoclip ab, der erst vor einer halben Stunde gefilmt worden war. Hier waren zwei Kleckse zu erkennen, jeder ein Mix aus Rot, Grün und Gelb. Diesmal war das Video aus einem Fünfundvierziggradwinkel zur Kirche geschossen worden, sodass ein proportionaler Näherungswert im Zentimeterbereich möglich war.
Auf diesem Clip hatten die Figuren geisterhaft menschliche Umrisse.
Einer war mittelgroß, circa eins achtzig. Das Thermalbild war klar erkennbar und hell, mit einem heißen roten Kern. Die andere Gestalt war kleiner und lieferte ein Wärmebild, das von Gelb- und Grüntönen dominiert wurde.
Schmerz fuhr Amato in den Bauch, und ihm wurde eng um die Brust.
»Sir?«, sagte Martinez.
»Ich habe die Bilder.«
»Innerhalb einer Stunde könnte ich Ihnen anständige konventionelle Fotos schicken, vorausgesetzt sie rühren sich nicht vom Fleck und der Himmel bleibt klar.«
Hätten sie es schaffen können, in so kurzer Zeit von Dubai nach Frankreich zu kommen? Gerade so. Aber wie waren sie so schnell zu dem Haus gelangt, wo Minabi gefangen gehalten wurde? Es war verrückt. Wie hatten sie das nur rausgefunden?
Amato war zugleich stolz und entsetzt. »Sie haben die Iraner schon benachrichtigt, nehme ich an?«
Er brauchte Zeit zum Nachdenken, aber die hatte er nicht.
»Das habe ich als erstes getan, um sicherzugehen, dass sie nicht etwa einfach nur das eigene Gelände überwachen.«
»Wie haben sie reagiert?«
»Sie bereiten sich auf die Verhaftung vor.«
Wie hatte er es nur so weit kommen lassen können?
Amato schaute sich in seinem Gästezimmer um, als suche er nach einer Antwort. Sein Blick fiel auf ein Kruzifix, das an der Wand hing, ein einfaches Keramikkreuz; seine Frau hatte es von einer Romreise mitgebracht, die sie vor fünfzehn Jahren unternommen hatten. Und dann auf ein Foto seiner Eltern, das er beim Tod seines Vaters vor einem Jahr geerbt
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