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Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)

Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)

Titel: Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Huber
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selbst steuern können, rege ich auf der Handlungsebene an, dass z. B. das in der Regel als Erstes entstehende Belastungsbild umgedreht oder weggelegt wird oder dass sie zwischendurch zu dem anderen Bild übergehen und bei Abfall des Spannungspegels wieder zurück zum ersten. Dieses Vorgehen ist dann auch modellhaft für etwas grundsätzlich Wichtiges in der Traumatherapie, nämlich, sich zwischen Belastungsmaterial und Distanzierung / Stabilisierung hin- und herbewegen zu können, um ein zunehmendes Erleben von Kontrolle über innere Abläufe zu bekommen.
    MH: O.k., Ressourcenbild – Belastungsbild, das verstehe ich. Wie näherst du dich der bildlichen Darstellung des gesamten Innenlebens einer PatientIn?
    RS: Eine wesentliche, in der Einzeltherapie eingesetzte Methode ist das Erstellen einer inneren Landkarte mit kreativen Mitteln. Hierzu fordere ich die PatientInnen auf, für alle zu diesem Zeitpunkt bekannten Innenanteile etwas zu gestalten. Also kleine Kärtchen, viereckig, kreisförmig oder in jeder beliebigen Form, am besten in unterschiedlichen Farben und aus Tonpapier. Die einzelnen Teile sollten dann, wenn vorhanden, mit Namen beschriftet und, wenn nicht, mit Symbolen versehen werden, die ihr ungefähres Alter und ihre Funktion im System verdeutlichen. Wenn möglich, sollte auf das Kärtchen oder auf die Rückseite eine Kurzcharakteristik geschrieben werden, damit ich mich beim gemeinsamen Zuschauen schneller orientieren kann.
    MH: Und das machen die PatientInnen auch?
    RS: Ich habe bis jetzt immer erlebt, dass sich die PatientIinnen, wenn auch unter spürbaren Widerständen, deren Analyse für den therapeutischen Prozess in der Regel auch von großem Informationsgewinn war, kreativ und bereitwillig diesem Prozess überlassen konnten und für mich immer wieder eindrucksvolle Darstellungen der inneren Landkarte entstanden.
    MH: Und stellen sie auch symbolisch ihre inneren „Gegen-Seiten“ dar?
    RS: Erst einmal nicht. Daher ist es wichtig, dass ich als Therapeutin für das noch nicht Sichtbare trotzdem eine freundliche Einladung ausspreche. So gut wie immer sind die täteridentifizierten Anteile am Anfang bei der Gestaltung noch nicht dabei. Über ein zunehmendes Erleben von Lücken und Unvollständigkeit werden sie dann im weiteren Prozess noch spürbarer und „müssen dazu“. Sie haben am Anfang oft keinen Namen und keine Charakterisierung, wegen der Sprechverbote, aber meistens gibt es bald irgendein „Platzhaltersymbol“. Die Kärtchen für die einzelnen Anteile haben die PatientInnen bei sich und bringen sie in die Behandlungsstunden mit – die täterassoziierten Kärtchen teilweise in einem eigenen Umschlag, getrennt von den anderen –, und ich habe verschieden große Kartons in meinem Arbeitszimmer, die wir als Unterlage nehmen können. Bei einem dieser Kartons habe ich kurz unter dem oberen Rand eine Linie gezogen, die die „Grenze nach außen“ symbolisieren soll und an der diejenigen Anteile liegen sollen, die hauptsächlich den Außenkontakt managen.Dadurch haben wir die Möglichkeit, die jeweils aktuelle Situation des Zu- und Miteinanders der inneren Anteile und ihre Verbindung mit der Außenwelt zu verdeutlichen und Abläufe zu rekonstruieren. Die Kärtchen / Innenanteile werden so verschoben, dass man sehen kann, wer z. B. getriggert wurde, wer dann eingesprungen ist, wie die dann entstandene Situation oder Symptomatik zu verstehen ist usw. Es ist erstaunlich, wie sich traumatisierte dissoziative Klientinnen über diesen Weg verständlich machen und auch selbst ein besseres Verständnis ihrer Innenwelt entwickeln können.

    Abbildung 37: Beispiel einer inneren Landkarte
    MH: KritikerInnen werfen TraumatherapeutInnen vor, sie würden sich viel zu sehr „in der Arbeit mit den Innenwelten verlieren“. Was sagst du dazu?
    RS: Dazu kann ich nur sagen, dass das Problem ja im Wesentlichen auch in der Innenwelt liegt. In der Regel bestehen die traumatisierenden Situationen nicht mehr, wenn PatientInnen zu uns in die Therapie kommen. Sie setzten sich jedoch im Inneren fort und die Therapie muss dort ansetzen. Natürlich ist es auch wichtig, die heutigen Interaktionen und Problemfelder im Auge zu behalten und die Symptomatik in diesen Zusammenhängen zu beleuchten. Wer sein Leben zum Besseren verändern möchte, wird sich jedoch mit den Manifestationen der früheren Gewalteindrücke im Innern und dabei zentral mit täteridentifizierten Anteilen auseinandersetzen müssen.
    MH: Du hast ja

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