Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)
sie fürchten sich vor neuen Niederlagen im Pisa-Wettstreit, sie schaffen den Wehrdienst ab, spielen sich als Umweltapostel auf – sie können es sich ja finanziell leisten – und gelten in Europa als Mischung aus hartherziger reicher Diva und Prinzessin auf der Erbse. Deutschland – ein Land der Un-Männer, der Weicheier und Warmduscher, der reichen Neurotiker und gnadenlosen Egomanen? Mag sein. Vielleicht aber auch ein Land im Wandel, mit empfindlicher gewordenen Menschen, die sich bemühen, bewusster mit sich, der Umwelt, dem wirtschaftlichen und Wertewandel der sogenannten Globalisierung umzugehen. Jedenfalls auf bestimmten Ebenen.
Man könnte sagen: Auch die deutsche Gesellschaft hat Ego-States : Zustände von Behutsamkeit, Wachheit, Vorsicht und tastendem Fortschritt. Und Zustände, in denen sich alles widerspiegelt, was die Tradition nicht nur der Dichter und Denker, sondern auch der Despoten und Destrukteure an negativen Folgen mit sich gebracht hat.
Vielleicht könnten wir auch sagen: Die Formen des Krieges haben sich gewandelt. Deutschland lässt Krieg führen, es führt sie kaum noch selbst. Deutsche Waffen spielen in fast jedem Krieg und Bürgerkrieg auf der Welt die entscheidende Rolle. Deutschland ist der drittgrößte Waffenexporteuer der Welt. Deutsche Vernichtungs-Ingenieurskunst beliefert die eine wie die andere Seite der weltweit Aberhunderte von Konflikten und Kriegen – nie waren sie so zahlreich wie heute! – mit passendem teuren Kriegsgerät. Die deutsche Exportnation boomt, nicht nur der Autos und Industrieprodukte wegen, sondern auch mit den vielen Milliarden, die in der Waffenindustrie verdient werden – am Bundestag und den Bürgern weitgehend vorbei, und damit auch vorbei an jeglicher Kontrolle.
Erstaunlich: Trotz der größeren Bewusstheit allenthalben im so lange schon äußeren friedlichen deutschsprachigen Raum für humane und Umweltbelange gibt es große blinde Flecken: Die Waffenindustrie als großer Industriezweig ist praktisch unkontrolliert; die Pharmaindustrie als viertgrößter Industriezweig in Deutschland verhindert zusammen mit der Medizingeräteindustrie, dass Menschen auf weniger invasive Weise geheilt werden können und entsprechende Forschungen, Projekte, Kliniken, Praxen gefördert werden. Die Tabakindustrie hat es bis heute geschafft, dass Zigaretten, deren Gesundheitsschädlichkeit ohne Zweifel feststeht, immer noch beworben werden dürfen und schon gar nicht verboten werden. Die Spieleindustrie sorgt dafür, dass weiterhin brutale Vergewaltigungs-, Verstümmelungs- sowie Tötungs-Filme, -Spiele und -Videos den Markt und die Gehirne der jungen Menschen (Männer) überschwemmen. Und der internationalen Konzentration von immer mehr global „vagabundierendem“ Geld in immer weniger Händen auf Kosten der Ausbeutung und Verarmung immer größerer Bereiche der Bevölkerung wird allen Ankündigungen zum Trotz so gut wie nichts entgegengesetzt. Interessanterweise scheinen – so der Psychopathen-Forscher Robert Hare – gerade in Entscheiderkreisen viele Menschen zu sitzen, die fast sämtliche Kriterien für eine antisoziale Persönlichkeit erfüllen: wortgewandt, skrupellos, egozentrisch und narzisstisch. (Näheres siehe im Kapitel 16 „Gewissenlos – sind Gewalttäter grundsätzlich krank?“ ) Einiges davon gefährdet mindestens den sozialen Frieden auf Dauer, wenn nicht überhaupt die Möglichkeit, in unseren Ländern mit weniger Gewalt zu leben. Fast scheint es, als hätte sich das Kriegführen einfach nur verlagert. Und das ist kein rein deutsches Problem. Schauen wir auf unser Vorbild USA, dann können wir erkennen, wohin eine Politik führt, die Maß und Mitte verloren hat. Mag es eine Warnung sein an alle, die auch hierzulande dem völlig moralfreien „Spiel der Kräfte“ das Wort reden.
2.1 USA: Bis an die Zähne bewaffnet – und voller Angst
Nach dem Amoklauf in Aurora 2012, als ein 24-Jähriger in einem Kino – den im Film gezeigten Bösewicht wortwörtlich nachspielend – wahllos um sich schoss und zwölf Menschen tötete, wurde wieder einmal über das Waffengesetz der USA diskutiert. Nach dem Schulmassaker in Newtown wiederholte sich die Diskussion. Ein Sprecher der Waffenlobby jedoch verkündete, der Einzige, der einen bösen Mann mit einer Waffe aufhalten könne, sei ein guter Mann mit einer Waffe. Stattdessen wurde vorgeschlagen, die DNA des jungen Täters zu analysieren – hatte er nicht eine Erbkrankheit?
Seit den Anschlägen vom 11.
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