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Der Feind im Spiegel

Der Feind im Spiegel

Titel: Der Feind im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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gibt nicht viele Menschen auf dieser Welt, die die Chance bekommen, von vorne anfangen zu dürfen. Verspiele sie nicht, John. Amerika ist großzügig, aber Amerika ist auch nachtragend, wenn es lächerlich gemacht oder zum Narren gehalten wird. Mit andern Worten: Ich bin ein rachgieriges Schwein, und wenn du mich verarschst, werde ich höchstpersönlich dafür sorgen, daß du bis ans Ende der Welt gejagt wirst. Capito? «
    » Yes, Sir. «
    Der Oberst lachte wieder.
    »So, Schluß mit der Predigt. Das erste Loch wartet. Ich habe es so arrangiert, daß in zwei Tagen ein örtlicher Richter kommt und deiner Frau den Eid abnimmt und durch sie auch ihren Kindern. Sie kann auf die Fahne schwören und das ganze Trallala, damit alles legal und ordentlich vor sich geht. Damit hat Onkel Sam seine erste Rate bezahlt, dann liegt es an dir, ob wir auch die zweite bezahlen.«
    Plötzlich ging Vuk auf, was der Oberst gerade gesagt hatte.
    »Heißt das, sie kommen her? Hab ich dich richtig verstanden?«
    »Oberst oder Sir. Hast du das noch immer nicht gelernt?«
    »Habe ich Sie richtig verstanden, Sir?«
    »Cleveres Bürschchen. Du wirst dich schon durchboxen. Und jetzt verpiß dich, ich will zum Golf.«
    »Danke.«
    »Hau ab. Ach, und John …?«
    Vuk war schon aufgesprungen und auf dem Weg zur Tür. Er empfand eine derartige Erleichterung und Wärme im ganzen Körper, daß er sich nicht erinnern konnte, wann er zuletzt so froh und beinahe glücklich gewesen war.
    »Ja, Sir?«
    »Viel Glück. Und versaue es nicht. Wir bereiten einen neuen Krieg vor. Und der ist von anderem Kaliber als der in Afghanistan. Wir müssen der Welt erklären, warum wir in den Krieg ziehen. Wir könnten auch ohne, aber mit Motiv ist es eleganter. Ist dir klar, was ich da sage? Ich hab mein Geld auf dich gesetzt, und ich hasse Verlieren.«
     
    *
    Vuks Tagesablauf hatte einen neuen Rhythmus bekommen. Das lag an Anna und den Zwillingen. Mit ihnen verbrachte er die raren Stunden, die er den Vorbereitungen, Planungen und Unterrichtungen mit Mike und dem CIA-Mann Phil Marker abknapsen konnte. Er hatte mit dem großen, schlanken CIA-Agenten vorher nicht sehr viel zu schaffen gehabt. Nachdem Marker Vuk und Mike am Flughafen abgeholt hatte, war er nur gelegentlich in der Villa aufgetaucht. Er war weiterhin freundlich und lächelte gern, aber in der Zwischenzeit hatte ihn ein unerklärlicher Unmut ergriffen. Vuk vermutete, daß es etwas mit der Politik zu tun hatte und eine Reaktion auf die Kritik war, die im Kongreß und in den Medien auf die CIA niederprasselte, weil sie trotz ihres Mammutbudgets weder den Terrorangriff vorausgesehen hatte noch imstande gewesen war, Osama bin Laden oder einen seiner engsten Vertrauten zu schnappen oder zu töten.
    Phil Marker hatte ihm zunächst zwei freie Tage mit der Familie gegönnt. Sie durften in einem Haus auf Pfählen wohnen, das verborgen hinter mächtigen Palmen auf dem angrenzenden Grundstück lag. Vuk hatte nicht gewußt, daß auch das Nachbargebäude ein safehouse war. Anna, wie er sie wieder nannte, hatte geweint wie ein Schloßhund, als Mike sie erschöpft nach dem langen Flug von Atlanta hierher zum Haus brachte. Sie hatte abgenommen, so daß sie von einer fast zerbrechlichen Anmut war, die seine Liebe zu ihr nur noch verstärkte. Sie hatte sich die Haare kurz schneiden lassen, wodurch ihr sanftes Gesicht besser zur Geltung kam. Die Kinder waren erst ein wenig zurückhaltend gewesen, aber es dauerte nicht lange, bis sie wieder auf ihm herumkletterten, und als er es dann geschafft hatte, daß sie mit einer Mischung aus Lust und Schrecken angesichts der großen Krebse in der Brandung am Riff aufjuchzten, war es, als wären sie nie getrennt gewesen. Als sie nach dem Abendessen in der großen Villa ins Bett gesteckt worden waren, hatte er mit Anna geschlafen, lange mit ihr gesprochen und sie noch einmal geliebt, und zum erstenmal seit wer weiß wie langer Zeit hatte er angefangen zu weinen, und Anna mußte seine Tränen wegküssen und fing auch an zu weinen und wiederholte unentwegt, daß sie ihn liebe und daß sie glücklich sei und daß sie immer zusammenbleiben würden, und er hatte es nicht über sich gebracht, ihr böse zu sein, obwohl sie doch die verbotene Sprache benutzte. Aber das war jetzt nicht mehr wichtig. Einerlei, was ihm zustieß – Anna und die Zwillinge waren in Sicherheit.
    Nach den zwei freien Tagen ging Vuk jeden Morgen wie ein ganz normaler Amerikaner zur Arbeit, während Anna und die Kinder

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