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Der Feind meines Vaters - Roman

Der Feind meines Vaters - Roman

Titel: Der Feind meines Vaters - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almudena Grandes
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schöne Antonio war, den sich die blöde Kuh Paquita ausgedacht hat. Und wenn wir schon einmal dabei sind …«, er zeigte mit dem Finger auf Dulce. »Grins nicht so blöd, sonst setzt es was!«
    Es war der letzte Streit über die Existenz des schönen Antonio, der unsere Familie spalten sollte. Der Schäfer, der die Schachtel Zigaretten bei der Piriñaca gekauft hatte, kam aus Valdepeñas und war den Unbekannten an einem Pfad begegnet, der direkt zum Hof eines Mannes führte, den Vater sehr gut kannte, obwohl er ihn seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hatte. Während seiner Kindheit, bis er eingezogen wurde, waren die beiden Söhne von Silbido seine besten Freunde gewesen. Der Ältere hatte fast acht Jahre im Gefängnis gesessen, weil er während der Zeit des Bürgermeisters auf Lebenszeit Sekretär im Rathaus gewesen war, und seine Frau hatte man eines Nachts tot aufgefunden. Jemand hatte ihr mit einer Nadel einen Zettel ans Kleid gesteckt, auf dem stand: »So bezahlt Cencerro die Verräter.« Silbidos Sohn hatte keine Ahnung, doch vor mehr als zwei Jahren, während er noch im Gefängnis saß, war sie die Geliebte des Gefreiten im Dorf geworden, und nach der Entlassung ihres Mannes ging sie weiter mit ihm ins Bett, während der andere frühmorgens auf dem Feld arbeitete. Später traute sich niemand, ihn zu fragen, wie er davon erfahren hätte, doch er ging nicht einmal zur Beerdigung. Im Gegensatz zu dem Gefreiten, der seine Frau gegen ihren Willen und mit Tränen in den Augen dorthin schleppte.
    »Ich würde dich umbringen, Antonino. Wenn du mir so etwas antust, bringe ich dich um, ich schwöre es bei meinen Kindern. Sollen sie mich nachher erschießen, aber zuerst bringe ich dich um.«
    Mutter erklärte nicht, ob sie den Ehebruch oder die Szene auf dem Friedhof meinte, doch Vater, dem das Unglück seines alten Jugendfreundes näherging, als er zugeben wollte, ging nicht weiter darauf ein. Er sagte kein Wort mehr, bis am Tag darauf, als er uns erzählte, Sempere sei im Krankenhaus gestorben, und die Führung habe befohlen, es geheim zu halten, man sollte momentan keine Verluste zugeben. Mittlerweile wusste jeder, auch in Fuensanta, dass Silbidos Schwiegertochter den Fluchtversuch, der zu drei Toten führte, nur deshalb nicht verraten hatte, weil sie keine Ahnung davon hatte. Aber sie war für mindestens die drei letzten Razzien in Valdepeñas verantwortlich gewesen. Und während der letzten hatte ihr Liebhaber eigenhändig das Fluchtgesetz auf den jüngeren Bruder ihres Mannes angewendet.
    Die finstere Bilanz am Ende des Herbstes war schuld daran, dass ich an diesem Sonntagnachmittag eine weibliche Stimme hörte, die meinen Namen rief, während ich eine Schubkarre voller Pflanzen und Moos, die ich am Morgen mit dem Portugiesen gesammelt hatte, über den Dorfplatz schob. Ich schaute mich um und erkannte, wie in weiter Ferne eine Gestalt auf mich zukam. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie meinen Namen kannte, denn sie sah aus wie eine Puppe auf einem jener Sammelbildchen in den Schokoladenriegeln für fünfzig Céntimos, die Miguels Großmutter ihm manchmal schenkte.
    »Nino!« Aber die Stimme kannte ich. »Bist du blöd, oder was?«
    Bei dieser nicht gerade protokollarischen Begrüßung erkannte ich die Señorita in dem hellblauen Mantel mit Knöpfen und Revers aus Samt. Es war die Enkelin meiner Lehrerin. Sie trug himmelblaue Strickhandschuhe, dazu eine passende Strumpfhose aus Wolle, einen gestreiften Schal mit Bommeln im selben Farbton und schwarze Lackschuhe, die so glänzten, als hätten sie das wenige Licht eines weißen, eisigen Nachmittags in sich aufgesogen.
    »Warte!«
    Ich stellte die Schubkarre ab und lief ihr entgegen, und auf halbem Weg fiel mir meine eigene Kleidung auf. Die alte grüne Hose, deren Knieschoner schon so weit abgerissen waren, dass es aussah, als würden sie meinen Beinen bei jedem Schritt die Zunge rausstrecken, der Pullover aus schwarzer Wolle, den ich mir von Pepe ausgeliehen hatte, um nicht zu frieren, der aber wie der Gehrock eines Clowns um mich herumschlotterte. So ein Pech, dachte ich, ohne zu wissen, warum.
    »Hola.« Als ich vor ihr stand, streckte ich ihr schüchtern die rechte Hand entgegen. Sie war so schmutzig, dass ich schnell alle beide in die Taschen steckte. »Entschuldige. Ich habe dich nicht wiedererkannt, du siehst so komisch aus.«
    Als ich sie genauer betrachtete, berichtigte ich mich insgeheim, sie sah mehr als komisch aus. Sie hatte sich das Haar

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