Der Feind meines Vaters - Roman
vollem Mund weiter. »Da hast du recht, wirklich.«
Ich weiß nicht, wie lange wir dort saßen, aber wir aßen die Churros auf und unterhielten uns über Oviedo und Jaén, ihre Großmutter, die Tante, den Onkel, wie gut sie in ihren neuen Kleidern aussah, die Schaufenster der Geschäfte, dabei interessierte ich mich kein bisschen für Geschäfte, Kleider und Schaufenster, trotzdem hörte ich ihr zu, als hätte ich noch nie im Leben etwas Interessanteres gehört. Ich wäre auch bis zum nächsten Tag dort sitzen geblieben und hätte mich über Rüschen und Schaufensterauslagen unterhalten, hätte ich nicht die Schritte erkannt, die sich uns näherten, ein leichtes Aufsetzen, dann das lautere Stapfen des orthopädischen Schuhs, tack tock, tack tock, ein unregelmäßiger und unverwechselbarer Rhythmus.
»Wir sollten lieber gehen, oder?« Zum ersten Mal nach einer Zeit, die mir sehr, sehr lang vorkam, wandte ich den Blick von ihr ab und sah auf die Straße, doch es war bereits zu spät. »Wenn du es eilig hast …«
»Ach ja!« Da kam Pastora Arm in Arm mit Sanchís die Straße entlang. »Die Zeit ist so schnell verflogen …«
Dieser Kommentar, der mir ebenso galt wie dem Teig, den Marías Mann Tomás machte, und dem Fett, in das er seine Churros warf, hätte mir mehr als alles andere gefallen müssen, doch das Auftauchen von Sanchís, der mich in letzter Zeit sehr übel behandelte und sich mir gegenüber eine Autorität anmaßte, die ihm erstens nicht zustand und zweitens voller Gehässigkeit und Verachtung war, hatte alles verdorben. Auf keinen Fall sollte sie hören, wie er mich Knirps nannte und sich über mich lustig machte oder mich wie ein kleines Kind zurück in die Kaserne scheuchte oder zungenschnalzend wie einen Gaul vor sich hertrieb. Deshalb rannte ich schnell in die Churrería, doch dann hatte ich Pech, und trotzdem ging alles gut aus, viel besser, als ich zu hoffen gewagt hätte.
»Was schulden wir dir, María?«, fragte ich die Verkäuferin, die Hand bereits in der Hosentasche.
»Nichts«, antwortete sie liebevoll und herzlich, was mich in diesem Moment mehr verstörte als jede Summe. »Ich stelle es deinen Eltern in Rechnung.«
»Nein, nein, ich zahle es selbst.« Ich öffnete die Hand und zeigte ihr mein Kapital, und da hörte ich schon, wie Pastora den Laden betrat, tack tock, tack tock, tack tock. »Ich habe Geld, siehst du?«
»Aber nein, lass, Nino, ich hab dir doch gesagt …«
»Nein.« In diesem Augenblick beschloss ich, standhaft zu bleiben und meine Schulden wie ein Mann zu bezahlen, statt wie ein verschrecktes Kind davonzulaufen. »Ich zahle jetzt«, sagte ich und legte meine Münzen auf die Theke, ohne auf den Feldwebel zu achten.
»Na gut, mein Junge.« María sah erst mich an, dann Elenita, und lachte. »Wie du willst. Hier ist dein Wechselgeld.«
Ich nahm es, nur einige Céntimos, aber immer noch genug, um der Piriñaca zwei Lakritzstangen abzukaufen, und schloss kurz die Augen, ehe ich mich umdrehte und auf den Weg machte. Als ich sie wieder öffnete, blickten mich Sanchís und Pastora an.
» Adiós , Nino«, sagte sie und strahlte uns beide an.
»Adiós« , antwortete ich. Sanchís beschränkte sich darauf, uns zuzunicken. Das war alles.
Als wir auf die Straße traten, konnte ich mein Glück immer noch nicht fassen, trotzdem zählte ich insgeheim, eins, zwei, drei, hörte jedoch hinter mir weder Pastoras Schritte noch die Stimme ihres Mannes.
»Was hast du?«, wollte Elenita plötzlich wissen. »Mensch, du bist so bleich geworden, als hättest du ein Gespenst gesehen.«
»Nein, nichts.« Wir waren bereits so weit von der Churrería entfernt, dass ich es wagte zu lächeln. »Wenn du willst, bringe ich dich bis zur Kreuzung. Es ist ja schon dunkel.«
Der Weg kam mir so kurz vor, dass ich fast den ganzen Hang mit ihr hinaufging und erst umkehrte, als wir die Lichter des Hofes sahen.
»Sag deiner Großmutter, dass ich morgen nach der Schule vorbeikomme.«
»Ja, mach ich.« Sie ging los, drehte sich dann aber noch einmal um. »Danke für alles, Nino. Bis morgen dann.«
»Bis morgen, Elenita.« Sie drehte sich erneut um.
»Elena, wenn es dir nichts ausmacht.«
»Elena«, wiederholte ich, »macht mir gar nichts aus.«
Dann rannte ich wie üblich nach Hause zurück und kam wie üblich außer Puste dort an. Irgendwann im Laufe des Nachmittags musste ich das Zeitgefühl verloren haben, denn die Kirchturmuhr schlug bereits halb acht. Mutter war guter Dinge und sagte nichts,
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