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Der Feind meines Vaters - Roman

Der Feind meines Vaters - Roman

Titel: Der Feind meines Vaters - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almudena Grandes
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drückte ihre Hand. »Mir nicht.«
    »Du hörst doch, was er sagt, oder nicht?« Michelin nutzte meine Einmischung, um seinen Ton zu ändern, er klang nun sanfter, überzeugender. »Er treibt sich ständig da oben herum, dauernd geht er zu der alten Mühle hoch, und noch vor kurzem ist er sogar jeden Tag über die Kreuzung hinausgegangen, um dem Portugiesen zu helfen. Nino gehört doch fast schon mehr in die Berge als hierhin, also … wem soll es auffallen, wenn er wie immer das Dorf verlässt?«
    »Wie immer? Mein Sohn geht um diese Zeit nicht mehr aus dem Haus.«
    »Und wennschon. So spät ist es auch wieder nicht. Die Straßenlaternen sind noch an, und in zwanzig Minuten ist er da. Zur Kreuzung ist es nicht weit.«
    »Dann gehen Sie selbst. Rufen Sie Don Justino oder Don Miguel an, jemanden, der einen Wagen hat. Er soll Sie abholen und hinbringen. Oder lassen Sie die Herren selbst hinfahren. Wenn die Kreuzung so nah ist, bin ich sicher, dass …«
    »Ich kann keinen Zivilisten darum bitten, Mercedes.«
    »Mein Sohn ist auch Zivilist.«
    »Schon, aber das ist etwas anderes. Nino lebt in der Kaserne, er ist sozusagen einer von uns.« Seine Stimme bewahrte noch eine mehrdeutige Spur von Sanftheit, genauso unsicher wie diejenige, die Mutters letzte Sätze gefärbt hatte. »Außerdem habe ich dir schon einmal gesagt, dass ich meinen Posten nicht verlassen darf.«
    »Natürlich nicht!« Sie platzte vor Wut, schob mich weg und stürzte sich mit einer neuerlichen und noch heftigeren Wut auf Michelin. »Weil Sie ein Feigling sind, deshalb können Sie nicht gehen, weil Sie sich nicht trauen, weil Sie genau wissen, dass Sie allein da draußen keine fünf Minuten überleben würden«, schrie sie ihm ins Gesicht. So dicht stand sie vor ihm, dass er ihren Atem spüren musste, die Wut dieser in die Enge getriebenen, unbewaffneten und zerbrechlichen Frau, die ihm das sagte, was sich bislang noch keiner getraut hatte. »Denn wenn Sie mitten in der Nacht und ohne Eskorte das Dorf verlassen, würde irgendein Dorfbewohner Sie hinterrücks erschießen, und zwar mit Recht, nach allem, was Sie dem Jüngsten der Fingenegocios angetan haben. Deshalb können Sie nicht gehen!« Mutter machte mir Angst; es war furchtbar, sie zu hören, zu verstehen, was sie sagte. »Deshalb schicken Sie einen elfjährigen Jungen. Wenn es darum geht, einen hilflosen Mann zusammenschlagen zu lassen, fehlt es Ihnen nicht an Mut, was? Aber in einer Nacht wie dieser schicken Sie lieber meinen Sohn auf die Straße. Und wenn sie ihn töten? Bekomme ich dann eine Pension oder einen Orden, bekomme ich …?«
    »Mich wird niemand töten, Mutter.« Ich wollte nur noch, dass sie aufhörte zu reden, doch sie achtete nicht auf mich.
    »Halt den Mund!«, schrie sie mich an, kurz bevor das passierte, was passieren musste.
    »Nein, jetzt hältst du den Mund, Mercedes!« Michelins Gesicht war so starr und bleich wie das eines Toten. Er hob sein Notizbuch auf, zupfte an seiner Uniform und fuhr sich mit der Hand über das Haar. »Du weißt nicht, was du sagst, du weißt nicht, was du aufs Spiel setzt. Diesem Jungen wird nichts geschehen, aber wenn du auch nur noch ein Wort sagst, kannst du deinen ungeborenen Sohn unter einer Brücke zur Welt bringen, das schwöre ich dir. Du hast keine Ahnung, wie nervös die Führung ist nach der Sache mit Sanchís, wie sie uns unter Druck setzen, damit wir ihnen Informationen liefern, alles was mit dem Bürgerkrieg zu tun hatte. Und du kennst doch das berühmte Gesetz 12 von 1940, nicht? Es schreibt vor, dass die Vergangenheit sämtlicher Mitglieder der Streitkräfte und der Guardia Civil untersucht wird und alle zur Verantwortung gezogen werden, deren Verhalten – oder das ihrer Familien – während der Jahre vor der Erhebung dubios war. Du kannst dir nicht vorstellen, wie gelegen ihnen dieses Gesetz jetzt kommt, um die Gefängnisse zu füllen. Franco möchte niemanden in den Streitkräften haben, der verdächtig ist. Mehr brauche ich dir wohl nicht zu sagen.«
    Mutter setzte sich ganz langsam wieder auf den Stuhl, ließ die Arme herabhängen und schwieg. Sie sah weder den Leutnant noch mich an, sondern blickte in die Küche, als versuchte sie, die Zahlen auf dem Kalender zu lesen, der neben dem Herd hing. Es konnte nicht sein, trotzdem starrte sie auf den Kalender, als wäre dieses Rechteck aus Papier ein Fenster, als könnte sie durch ihn hindurch ein anderes Haus, eine andere Landschaft, vielleicht auch eine andere Zeit sehen, egal ob

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