Der Feind meines Vaters - Roman
12. Juli 1940 durch das Präsidialamt, welches in den Kasernen unter der Abkürzung Gesetz 12 von 1940 bekannt wurde, erhielten diese Repressionen eine rechtmäßige Grundlage.
Auf ausdrücklichen Wunsch von Francisco Franco schrieb dieses Gesetz vor, sämtliche Streitkräfte von Mitgliedern zu säubern, die vor dem Aufstand von 1936 die kleinste Sympathie oder auch nur Neutralität gegenüber den Institutionen oder republikanischen Parteien gezeigt hatten, selbst wenn sie später auf die Seite der Rebellen übergelaufen waren. Wie auch andere damalige Gesetze, vor allem das über die politischen Verantwortlichkeiten, hatte das Gesetz 12 von 1940 nicht nur strafrechtliche Konsequenzen, die vom Verweis über Gefängnisstrafen bis zur standrechtlichen Erschießung reichten, sondern auch ökonomische. Unter anderem wurde den Witwen und Waisen von Männern der Guardia Civil, die erschossen wurden oder ins Gefängnis kamen, Zahlungen verweigert, die ihnen zugestanden hätten, sobald sie als Familienoberhaupt aus der Guardia Civil ausgeschieden waren, und ganz gleich, wie viele Jahre sie in die Betriebsrente der Guardia Civil eingezahlt hatten. Und in vielen Fällen, in denen Männer der Guardia Civil eines natürlichen Todes oder im Kampf gegen die Volksarmee gestorben waren, nahm man sogar das »schlechte Betragen« ihrer Witwen oder Kinder zum Vorwand, um diesen das Recht auf die ihnen zustehenden Bezüge zu verweigern.
Fortan gab es nur eine unumgängliche Voraussetzung, um in der Guardia Civil dienen zu können: blinde und bedingungslose Loyalität gegenüber Francos Regime. Dies legitimierte die Guardia Civil, ungeachtet der seit ihrer Gründung bestehenden Regeln, alle möglichen Individuen aufzunehmen, angefangen bei Analphabeten – die Ahumeda sorgfältig aus ihr ferngehalten hatte, als er die Einheit 1844 gründete –, bis hin zu gewöhnlichen Kriminellen, Hauptsache, sie konnten ihre faschistische Gesinnung glaubhaft machen. Diese Änderungen waren es, die die Guardia Civil in ein Instrument zur Unterdrückung der Zivilbevölkerung verwandelten und bislang nicht gekannte Folterknechte und Henker hervorbrachte. Allen voran erbarmungslose, wenn auch leider reale Figuren wie Oberstleutnant Luis Marzal Albarrán, der zwischen 1947 und 1949 allein in der Provinz Jaén das Fluchtgesetz auf mehr als hundert Zivilisten anwendete. Diese Periode wurde von manchen Historikern des Widerstandes später als die »drei Jahre des Terrors« bezeichnet.
In fast allen Bergregionen der spanischen Provinzen herrschte während jener drei Jahre dieselbe brutale Repression. Darunter auch in León, in einem Dorf mit einem so wunderschönen Namen, dass er wie erfunden anmutet, Corporales. Dort verhinderte am 16. Januar 1951 der sechsundzwanzigjährige Widerständler Mariano, Sohn von Manuela Liébana Arias, dass man das Fluchtgesetz auf ihn anwenden konnte. Er drehte sich um, stieß die Faust in die Luft und schrie: »Lieber tot als ein Verräter!« Dann ließ er die Republik und die Kommunistische Partei hochleben und zwang so seine Mörder, ihn von vorne zu erschießen. Sein Tod, von dem ich aus Santiago Macías’ Werk El monte o la muerte. La vida legendaria del guerrillero antifacista Manuel Girón erfuhr, beeindruckte mich dermaßen, dass ich ihn zum Vorbild für Laureano, Pesetillas Sohn, machte.
Kaum zu glauben, wie so vieles in diesem Roman, aber in den vierziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts wurden tatsächlich auch Frauen verfolgt, die vom Privathandel mit Eiern aus den Berghöfen von Jaén oder dem Sammeln von Espartogras lebten. Ebenso wahr ist das nie offiziell anerkannte alltägliche Heldentum vieler alleinstehender Frauen – Kriegswitwen, Frauen von Widerstandskämpfern oder Gefangenen –, die es schafften, ihre Kinder und Enkel unter einer brutalen und systematischen Unterdrückung, die heute nur mehr unmenschlich erscheint, zu ernähren und aufzuziehen, sie heranwachsen zu sehen und ihnen Mut zuzusprechen.
Für Menschen wie mich, die vom Bürgerkrieg und der Nachkriegszeit beinahe krankhaft besessen sind, möchte ich klarstellen, dass der Groschenroman, den Sonsoles Mediamujer im Wachbüro der Guardia Civil für Nino zusammenfasst, Cristina Guzmán, profesora de idiomas ist, geschrieben von der Falangistin Carmen de Icaza, ein Werk, das in den Schützengräben der Rebellenseite eine gewaltige Verbreitung fand, während in der Volksarmee der spanischen Republik Taschenbuchausgaben von Don Benito Pérez
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