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Der Feind meines Vaters - Roman

Der Feind meines Vaters - Roman

Titel: Der Feind meines Vaters - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almudena Grandes
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Gürtelschnalle löste und sein Gesicht dem von Filo so nahe kam, dass sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten, eine unbekannte Angst, einen Schauder, der anders war, viel heftiger als jene, die mich nachts im Bett erschütterten, denn das, was ich sah, durfte nicht sein, solange Tageslicht durch das Fenster drang, solange die Fenster weit geöffnet waren, solange wir an einem Frühlingsnachmittag durch sie hindurch den sanften lauwarmen Duft der Felder einatmen konnten. Es durfte nicht sein, es war unmöglich, und deshalb hatte ich Angst, dass alles noch viel schlimmer wäre.
    »Was ist?« Sanchís’ Tonfall war genauso heiser und leise wie in der Nacht auf der anderen Seite meiner Zimmerwand. »Überlegst du noch?«
    Geh rein, Filo, geh schon, bitte, um Gottes willen, geh rein, geh endlich rein, tu es für deine Mutter, Filo, geh rein … Ich sah Curro an. Tu was, signalisierte ich ihm mit den Augen, warum tust du nichts? Und er verstand mich, ich weiß es, weil er den Blick abwandte, um mich nicht ansehen zu müssen, um nicht verstehen zu müssen, was meine Augen ihm sagten. Nach dieser Bewegung wusste ich, dass ich allein war, und stand auf. Ich wusste nicht, was ich tun würde, trotzdem stand ich auf, und die Beine des Stuhls kreischten laut über die Kacheln. Filos dunkle Augen blieben überrascht an mir hängen. Die grünen von Sanchís waren voller Wut, und ich dachte, ich müsste entweder schreien oder weglaufen. Beides würde dazu führen, dass das, was nicht sein durfte, aufhörte oder vielleicht auch nicht; vielleicht würde es das Ganze nur hinauszögern, weil die anderen Männer der Guardia Civil ihren Kollegen wie immer decken und mir erklären würden, ich hätte mit offenen Augen geträumt, es sei nur ein Albtraum gewesen, aber Nino, du bist doch kein kleines Kind mehr … All das ging mir in dieser Sekunde durch den Kopf, in der ich neben dem Tisch stand, bis ich Sonsoles’ Stimme hörte und die ganze Szene platzte wie ein Luftballon, in den man eine Nadel sticht.
    »Wolltest du schon gehen? Tut mir leid, ich habe mich ein bisschen verspätet.« Erst da merkte sie, dass wir nicht allein waren. »Oh, hier ist ja ganz schön was los!«
    Als sie das sagte, hatte Sanchís sich von Filo gelöst, und die hatte das Gitter losgelassen. Meine Erleichterung ähnelte jener, die ich in der vertrauten Dunkelheit des Kinderzimmers verspürte, wenn ich aus einem Albtraum schreckte und mein Bett mir weicher, bequemer und wärmer erschien als zuvor.
    »Ja, nicht?« Sanchís nahm seine Gefangene am Arm, schob die Tür auf, und sie trat endlich fügsam in die Zelle.
    »Tja …« Sonsoles nahm ihren Roman vom Fensterbrett und traute sich nicht, irgendetwas zu fragen. »Dann gehe ich mal.«
    »Ich auch«, sagte ich, doch als ich auf die Tür zutrat, hielt mich Sanchís mit einer Handbewegung zurück.
    »Nein, Knirps. Du bleibst.«
    »Warum?« Er drehte mir den Rücken zu und ging, ohne mir zu antworten, zu einem Aktenschrank. »Mein Unterricht ist zu Ende.«
    »Ja.« Er kam mit einem Blatt Papier in der Hand auf mich zu. »Aber da du so eifrig und zielstrebig bist, was deine Angelegenheiten angeht, wird es dir doch sicher nichts ausmachen, mir einen Gefallen zu tun, oder? Und gleichzeitig kannst du ein bisschen üben …«
    Dreckskerl, Dreckskerl, Dreckskerl, sagte ich, ohne die Lippen zu bewegen. Alfredo und Paquito warteten bestimmt längst draußen auf mich, um Fußball zu spielen. Dreckskerl, als er mir das Anzeigeformular zeigte, das ich für ihn tippen sollte, Dreckskerl, als er sagte, es sei ganz einfach, Dreckskerl, dort wo Name stand, müsse ich Filomenia Rubio eintragen, Dreckskerl, danach ihre Adresse, unter Anschrift, Dreckskerl, das Datum unter Datum und da, unter Anlass, dass man in ihrem Haus eine Rolle Pleita gefunden habe, Dreckskerl, ohne entsprechende Lizenz der staatlichen Behörde, Dreckskerl, Dreckskerl, Dreckskerl.
    »Wenn du fertig bist, bringst du mir das Formular nach Hause, damit ich es unterzeichnen kann. Hast du verstanden?«
    »Ja.« Du verdammter Dreckskerl.
    Dann verschwand er.
    Curro ging kurz nach ihm und traute sich kein Wort zu sagen, sodass ich mit Filo und ihrer Anzeige allein zurückblieb. Ich hatte unzählige Male aus der Ferne beobachtet, wie das Formular ausgefüllt wurde, und es schien ganz einfach zu sein, aber so sehr ich die Walze auch hin und her drehte, es gelang mir nicht, das Blatt so zu positionieren, dass die Buchstaben tatsächlich in den dazugehörigen Kästchen

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