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Der Feind meines Vaters - Roman

Der Feind meines Vaters - Roman

Titel: Der Feind meines Vaters - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almudena Grandes
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mitnahm, wenn sie einkaufen ging, kannte meine Schwester ihre Stimme genau. Ich habe Nicolás fast zwei Jahre nicht mehr gesehen, das wisst ihr doch. Bist du sicher, Nino? Aber ja, du Dummerchen, wie soll das Fernanda sein? Und doch war sie es, und ich veränderte meine Umarmung, drückte Pepa an meine Brust und deckte ihr Ohr mit meinem linken Arm zu, um ihr die Dialoge dieses wahrhaftigen Horrorfilms zu ersparen. Wie kommt es, dass du schwanger bist? Das Kind ist nicht von meinem Mann. Ich sang weiter, bis ich spürte, wie Pepas Körper schlaff wurde. Wer ist der Vater des Kindes? Ein Kerl. Bis sie aufhörte zu weinen. Hat der Kerl einen Namen? Ich kann mich nicht erinnern. Bis sie regelmäßig atmete. Du erinnerst dich nicht? Nein, weil er nicht von hier ist und ich ihm nur dieses eine Mal begegnet bin. Tiefer. Ein Fremder also, wie immer. Und als Pepa eingeschlafen war, übernahm Sanchís das Verhör. Ich will dir etwas sagen, Fernanda, ich glaube dir nicht. Ich hörte nicht auf zu singen. Ich glaube, dass es sich ganz anders verhält. Ich sang weiter, damit meine Schwester schlafen konnte. Ich glaube, dass dein Mann hin und wieder auf ein Schäferstündchen zu dir herunterkommt. Ich sang weiter, nur um des Singens willen. Während wir uns in den Bergen vor Kälte den Arsch abfrieren, hungrig und müde vom Warten. Doch dieses Mal half mein Gesang nicht. Findest du das gerecht, Fernanda? Weil sie sehr nah waren, viel zu nah. Findest du es gerecht, dass wir uns die Hacken nach ihm ablaufen, während er auf ein Schäferstündchen zu dir kommt? Und weil ich sie viel zu deutlich hörte. Sanchís’ Stimme. Nein, das ist nicht gerecht, hörst du? Fernandas Flehen: Schlagt mich nicht auf den Bauch, bitte, nicht auf den Bauch. Curros Schweigen, den ich mochte, weil er keine Petze war. Mach dir keine Sorgen, Fernanda, es passiert dir nichts, hier schlägt dich niemand, jedenfalls nicht heute, das habe ich dir doch schon gleich zu Anfang gesagt. Curro, der ein braver Junge war und nie was unternahm. Was wir mit dir anstellen, macht viel mehr Spaß. Curro, der in ein Mädchen verliebt war, das wie eine Nonne aussah, sah alles mit an. Jetzt wissen wir ja, wie scharf du bist und es gern mit dem Erstbesten treibst. Du willst vögeln, nicht wahr, Fernanda? Hörte alles wie ich auch. Wenn du uns nicht sagst, wo dein Mann steckt, heißt es, dass du scharf bist. Fernandas Flehen, das metallische Geräusch von Sanchís’ Gürtelschnalle und schließlich Curros Stimme, leise, so schwach wie das Piepsen eines gerade geschlüpften Vögelchens, inmitten all der Brutalität so gotterbärmlich schwach. Lass gut sein, Miguel, lass sie, und dann Sanchís’ Stimme, die viel fester und selbstsicherer war: Warum? Du siehst doch, dass sie es will. Da beschloss ich, dass ich nichts mehr hören wollte, ich zog den Arm vorsichtig unter dem Kopf meiner Schwester hervor und schlug mit der Handfläche gegen die Wand, wieder und wieder und wieder, bis Vater erschrocken ins Kinderzimmer kam. Was ist los, Nino? Was macht Pepa in deinem Bett? Sie haben Fernanda Pesetilla in Curros Wohnung und schreien, sagte ich, und wir können nicht schlafen …
    Er eilte aus dem Zimmer und kam gleich wieder zurück, sobald man nichts mehr hörte. Es war nichts, sagte er, du musst einen Albtraum gehabt haben, in Curros Wohnung ist nur Curro, und der schläft, also schlaf du jetzt auch. Ich hätte ihn fragen müssen: Warum deckst du sie, Vater? Warum belügst du mich? Warum wirst du morgen niemandem etwas erzählen, weder dem Leutnant noch Izquierdo? Doch ich sagte nichts davon. Ja, Vater, ich will jetzt schlafen. Das war das einzige, was ich sagte, und er gab mir einen Kuss, den ich erwiderte.
    Das war das Leben, das einzige Leben, das ich kannte, ein zäher, rötlicher Albtraum, gespickt mit Schreien, Schlägen und Blut, der jeden Morgen, wenn die Sonne aufging, endete, damit der Leutnant wieder zu dem armen Kerl wurde, der unter dem Pantoffel seiner Frau stand, und Curro ein braver Junge, und Vater ein guter Mensch, der uns liebte und auf uns aufpasste, und Sanchís der Sündenbock. So war das Leben in meinem Dorf, wo die Frauen früh aufstanden, um vor der Metzgerei Schlange zu stehen, in der Fernanda sie bediente und alle gleich freundlich behandelte. Guten Morgen, was darf es sein? Die Augen noch geschwollen, die Hände noch zittrig. So war mein Leben, fast normal. Die Sonne zog über den Himmel, und meine Schwester Pepa verstand nicht, warum einige Mädchen

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